0532 - Der Blutschwur
Schwan?«
»Er… er ist unser Begleiter. Wir vertrauen ihm. Er sorgt dafür, daß uns auf der langen Reise nichts Böses widerfährt. Das Jenseits hält uns einen Platz offen. Uns winkt die Freiheit, und der Schwan sorgt dafür, daß wir auch hineinkommen.«
So ganz stimmte ich ihm da nicht zu. »Hat das auch euer Ramis gelehrt?« fragte ich ihn.
»Es ist seine uralte Lehre. Er hat es gewußt. Er mußte es einfach wissen.«
»Aber er ist tot.«
»Nein und ja. Er lebte weiter. Menschen wie ihn kann man nicht töten. Er ist ein Geist, er trat aus seinem Körper. Er hat als erster die große Freiheit im Jenseits erlebt. Seine Botschaft erreichte uns Menschen, denn er wollte, daß es vielen so ergeht wie ihm…« Seine Worte wurden leiser, schließlich verstummten sie, und ich mochte den jungen Mann auch nicht weiter quälen.
Wir hatten mittlerweile wieder die Stadt erreicht und fuhren auf einer der breiten Straßen. In der Mitte dieser Allee befand sich ein Gleiskörper für die Straßenbahn, die um diese Zeit längst nicht mehr fuhr. Auch Autos waren nur wenige unterwegs.
Wir entdeckten verhältnismäßig viele Polizisten, wurden aber nicht angehalten.
An einer Kreuzung mit abgestellter Ampel bog Michael Mitic nach rechts ab. Wir fuhren etwa zwei Minuten, als auf der linken Seite ein großes Gebäude in Sicht kam. Zu ihm führte ein breiter Weg, der einen kleinen Park zerteilte. Das sah nicht nur so aus wie ein Krankenhaus, das war auch eines.
Wir folgten dem Lastwagen nach links in die breite Zufahrt und mußten vor einem geschlossenen breiten Tor stoppen, das die Zufahrt zum eigentlichen Gelände des Krankenhauses absicherte.
Es dauerte eine Weile, bis sich der Nachtportier bequemte, sein Kabuff zu verlassen. Mitic fuhr den Mann hart an, der sich dann beeilte, als er gehört hatte, wer da Einlaß begehrte. Einen Flügel zog er auf.
Wir rollten weiter.
Von unserem Schützling war nichts mehr zu hören. Entweder war er eingeschlafen oder aber bewußtlos geworden. Ich tippte auf die letztere Möglichkeit.
Erleuchtete Schilder wiesen uns den Weg zur Ambulanz. Der Weg teilte sich. Wir fuhren einen kleinen Bogen und in die Tiefe, so daß wir Souterrain-Höhe erreichten.
Die Wagen stellten wir in Parktaschen ab. Aus dem hellerleuchteten Eingang kamen zwei Weißkittel. Sie hatten eine Trage dabei auf die der junge Mann gebettet wurde. Ein Arzt erschien ebenfalls und hörte sich an, was Mitic zu sagen hatte.
Der Mediziner gab einige Anweisungen. Als der Junge weggetragen wurde, öffnete er weit seine Augen. Zufällig streifte ihn das Licht einer Laterne, er konnte auch mich anschauen und nickte mir mit den Augen zu. Ich hörte, wie er ein »Danke«, hauchte.
Über meine Lippen glitt ein Lächeln. Irgendwie hatte mich dieses eine Wort glücklich gemacht. So war unsere Arbeit doch nicht umsonst gewesen.
Jetzt, wo ich etwas zur Ruhe gekommen war, spürte ich auch wieder meine malträtierten Knochen. Ich streckte und reckte mich.
Blaue Flecken würde ich noch bekommen.
Mitic sagte: »Der Arzt hat uns verboten, mitzukommen, aber wir können warten.«
»Wo?«
»Die haben hier eine Kantine.«
Ich schaute Suko an. »Einen Schluck könnte ich vertragen«, sagte mein Freund.
»Gut, dann komm mit.«
Mitic führte uns. Er kannte sich zwar auch nicht aus, so daß wir erst auf Nachfrage und unter den kritischen Blicken einer Schwester mit dunklem Damenbart den Weg erklärt bekamen.
Die Kantine lag auf gleicher Höhe. Eine Bedienung gab es nicht mehr, dafür sahen wir zwei altertümliche Automaten, die vor sich hinsummten, als wollten sie ein Lied singen.
Kantinen sind nur selten gemütlich.
Diese hier war besonders ungemütlich. Kahle. Wände, kahle Tische und Stühle, dazu ein Leuchtstoffröhrenlicht, das ebenfalls keine Wärme abgab. Der Automat spie einen Pappbecher aus, in den eine helle braungefärbte Brühe tropfte, die sich Kaffee nannte.
Mitic gab den Kaffee aus. Wir setzten uns an einen Vierertisch.
Nahe der Tür hockten zwei Ärzte zusammen und tranken Brühe.
Mitic rauchte. Ich verzichtete auf ein Stäbchen, trank den Kaffee und hatte Mühe, mich nicht zu schütteln. Das Zeug schmeckte nach alten Socken.
Zwischen uns und Mitic stand die Rauchwolke seines Zigarillos.
»War es ein Erfolg?« fragte er.
Ich hob die Schultern. »Zumindest ist es uns gelungen, den Dekan zu verscheuchen.«
»Klar, aber nicht zu vernichten.«
»Stimmt auch wieder. Also müssen wir ihn suchen.« Ich
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