0532 - Der Blutschwur
wohl nicht, nur würde ihnen der Anblick meines geweihten Kreuzes überhaupt nicht gefallen. Wer sich für die dunkle Seite des Jenseits entschieden hatte, der haßte Dinge wie meinen Talisman.
Ich blieb stehen. Rechts von mir war die Erde aufgewühlt. Ich ging davon aus, daß die Finsteren Maria Mitic nach ihrem Ritual begraben hatten.
Über das Grab hinweg sprach ich den Dekan Diavolo an. »So also sehen wir uns wieder. Und zwar sehr schnell. Diesmal haben Sie Ihr Spiel zu weit getrieben. Es wird die Bande der Finsteren bald nicht mehr geben.«
Ein wenig hob er den Kopf an. Seine Augen waren für mich jetzt sichtbar. Die Pupillen besaßen tatsächlich eine gelbe Farbe, zu vergleichen mit der Haut eines Löwen. Bevor er mir eine Antwort gab, zuckten seine Lippen. »Wer immer du auch bist, du schaffst es nicht, den Ring der sechs bösen Geister zu zerstören. Wir vertrauen auf Ramis. Er ist unser Führer. Der Prophet mit dem Schwan hat uns in die Welt entlassen, um seine Lehren vom Jenseits zu verbreiten. Die Hölle ist nahe, ich habe sie gesehen, ich habe in ihr auch die Freiheit erkannt, und ich werde mich in diese Freiheit zurückziehen, daran kannst auch du nichts ändern.«
»Irrtum, Dibbuk, ich…«
Er unterbrach mich. Diesmal allerdings mit Worten, die ich nicht verstand. Er redete in einer anderen Sprache. Wenn mich nicht alles täuschte, handelte es sich um eine uralte Zauberformel, gesprochen in einem finsteren Dialekt.
Noch während er redete, griff die Magie zu. Sie erfaßte den pechschwarzen Schwan. Er leuchtete auf. Ich befürchtete, daß er zerbrechen würde, konzentrierte mich aber auf das Kreuz, denn dort leuchtete in einem unheimlich wirkenden Grün das AUM auf, die heilige Silbe der Inder. Es war ein Zeichen, nur gelang es mir nicht mehr, die heilige Silbe auszusprechen, denn der Dekan wurde zu einem feurigen Flammenmonster. Aus dem Schwan schlug das Feuer, erfaßte auch ihn, brannte ihm die Haut vom Körper weg, so daß ich auf sein Skelett starrte.
Nur für Sekunden, obwohl es mir wesentlich länger vorkam.
Dann jagte der Flammenschweif in die Höhe und stieß wie ein Komet in den grauen, leichenfarben erhellten Himmel.
Das Jenseits oder die andere Welt holte ihn zu sich heran und riß ihn von diesem Friedhof fort.
Nichts konnte ich tun. Auch mein Kreuz schaffte es nicht, den Dekan zurückzuholen. Vor unseren Augen verwandelte er sich in einen winzigen Punkt am Himmel und war verschwunden.
Zurück blieben die Finsteren und auch die sechs Geister, die durch die schwarzen Rosen in unsere Welt eingedrungen waren und damit begannen, ihre Macht auszuspielen.
Sie verwandelten den alten Teil des Friedhofs in eine wahre Hölle!
Unter meinen Füßen spürte ich das Zittern und rechnete damit, daß jeden Augenblick die Erde aufbrechen würde. Auch die Finsteren waren von dieser heftigen Reaktion überrascht worden. Ich hörte ihre Schreie, dann sah ich, wie sie auf die Knie sanken, als wollten sie die Grabsteine anbeten.
Sie begannen zu beben.
Mächtige Steine wurden bewegt, als wären sie von unsichtbaren Händen umklammert, die nichts Besseres zu tun hatten, als an ihnen zu rütteln. Die Erde an den Steinen zeigte Sprünge. Wind fuhr über den Totenacker. Die sechs Meister lösten sich von den Rosen, jagten in den Himmel, wo sie einen furiosen Wirbel veranstalteten und zusammen einen Kreis des Schreckens bildeten, der sich so schnell drehte, als wollte er die Wolken auseinanderreißen.
Ich stemmte mich gegen diesen tornadoartigen Wind und hatte trotzdem Mühe, mich auf den Beinen zu halten. Der Dekan Diavolo hatte seinem Verschwinden die Krone aufgesetzt, indem er noch einmal das Grauen schickte und die große Gefahr.
Die Grabsteine schafften es nicht mehr, im Boden zu bleiben.
Einer kippte plötzlich um und genau einem der Finsteren in den Rücken. Ich wollte ihn noch wegziehen, war aber zu langsam. Der schwere Stein warf ihn um und legte sich auf seine Beine.
»Weg da!« brüllte ich. »Seht ihr nicht die Ge…?«
Plötzlich war er da.
Aus dem Hintergrund hatte sich die Gestalt gelöst und kam wie ein Raubtier mit gewaltigen, federnden Schritten auf mich zu. Ich hatte den Schatten gesehen, flirrte herum und erkannte über seiner dunklen Kleidung ein bleiches, haßverzerrtes Gesicht.
»Im Namen des Meisters!« brüllte er und schlug zu.
Irgend etwas hielt er zwischen den Händen. Vielleicht einen Stein oder einen anderen schweren Gegenstand. Damit hätte er mir den Schädel
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