0532 - Der Blutschwur
Rest des starken und ungesüßten Kaffees in den Rachen. »Dann wollen wir mal!«
»Und was ist mit dem Toten?« fragte der Arzt. »Soll er noch von Ihnen untersucht werden?«
Mitic schüttelte den Kopf. »Nein, Dr. Köhler, übernehmen Sie das bitte.«
»Gut.«
Wir gaben ihm zum Abschied die Hand. »Stoppen Sie die Brut«, sagte er noch. »Wenn Sie sich selbst und uns allen einen Gefallen tun wollen.«
»Wir werden unser Bestes tun!«
Dr. Köhler schaute uns durch die Glasscheibe der Eingangstür nach. Er sah drei Männer, die nicht gerade vor Optimismus überflossen. Bisher war alles danebengegangen. Pech für uns auf der ganzen Linie. Wir alle hofften, daß die Strähne noch in dieser Nacht ein Ende haben würde…
***
Die Altstadt von Zagreb schluckte uns. Durch sie floß der Fluß Sava.
Einmal waren wir über eine alte Brücke gefahren, hinein in die Stille der engen Straßen und der alten Häuser, die hier dicht an dicht standen. Wir rollten über holpriges Pflaster, vorbei an kleinen Geschäften, über Plätze und passierten verkehrswidrig geparkte Wagen, die oft noch auf den schmalen Gehsteigen standen.
Nur hin und wieder strichen die Kegel der Scheinwerfer über Menschen hinweg, die um diese Zeit nicht mehr fröhlich aussahen, sondern nur noch müde.
Selbstverständlich hielten wir die Augen offen, weil wir unbedingt nach den Finsteren Ausschau halten wollten, aber von den Dienern der schwarzen Rose bekamen wir keinen zu Gesicht. Wenn sie sich tatsächlich auf dem Weg zu ihrem Treffpunkt befanden, stellten sie es sehr geschickt an und benutzten Schleichpfade.
Wir gerieten in ein Geschäftsviertel. Es gab keine großen Läden.
Dieses Gebiet nahe des Flusses besaß schon ein basarähnliches Flair.
Die Läden waren schmal, dafür aber tief. Wie Tunnel stachen sie in die engen Häuser hinein.
Der Kaffee hatte mir gutgetan. Ich hockte auf dem Beifahrersitz, rauchte eine Zigarette und hatte die Scheibe nach unten gedreht, damit der Rauch abfließen konnte.
Meine Gedanken drehten sich natürlich um die Finsteren. Schon öfter hatten wir es mit Gruppen zu tun gehabt, die einem Guru oder guru-ähnlichen Typen nachliefen und sich von ihm beeinflussen ließen. Sie alle kannten nur ein Ziel: die Verwirklichung ihrer Welten, die der Guru ihnen einpflanzte. Bei den Finsteren hatten wir es mit einer besonders schlimmen Abart zu tun. Junge Erwachsene, die sich aus den Banden des Elternhauses befreit hatten, um endlich frei zu werden. Dabei ahnten sie nicht, in welch ein teuflisches Machwerk sie noch gelangten. Und das war schlimm. Durch die Blutsbrüderschaft und die indische Ramis-Dämonologie – für mich war es keine Philosophie – gerieten sie in eine nahezu teuflische Abhängigkeit, aus der sie sich allein nicht mehr befreien konnten.
Wenn wir etwas erreichen wollten, mußten wir an den Grundfesten dieser Irrlehre rütteln.
Das aber würde verflixt schwer sein, denn mit Worten ließen sich die Darkers oder die Finsteren nicht überzeugen. Einer hatte geredet und seine Worte mit dem Leben bezahlt.
Der Dekan war sehr mächtig. Er besaß die geistige Kraft, selbst Grabsteine zum Wanken zu bringen. Das Chaos auf dem Friedhof war das beste Beispiel. Diese Demonstrationen mußten sein, um die Mitläufer noch stärker an ihn zu binden.
Ich drückte die Zigarette aus und warf Mitic einen schiefen Blick zu. Er saß konzentriert am Steuer, seine Lippen jedoch bewegten sich, ohne daß ich ein Wort verstand. Er sprach mehr zu sich selbst.
»Was haben Sie?« fragte ich.
Er lächelte schmerzlich. »Ich denke an meine Familie. Man hat mir Frau und Tochter genommen. Ich frage Sie, Sinclair, hat es da noch einen Sinn, weiterzuleben?«
Ich räusperte mich, um Zeit für die Antwort zu gewinnen.
»Wissen Sie, ich bin kein Geistlicher, auch kein Psychologe. Ich kann Ihnen nur sagen, daß es Dinge gibt, die einen Menschen auf die Probe stellen. Daß er sie überwindet, das macht meines Erachtens erst den Menschen aus. Das ist eben das Wunderbare an ihm…«
»Sie sind gläubig, nicht?«
»Ja.«
»Ich nicht.«
»Das ist Ihre persönliche Angelegenheit.«
»Sicher.« Er atmete tief durch. »Vielleicht sollte ich es wieder versuchen. Ich muß einfach eine Insel finden, die mir wieder Kraft und Mut gibt, das Leben weiterzuführen. Im Augenblick stehe ich noch unter Streß. Sollten wir den Fall tatsächlich lösen und sollte ich ihn überleben, wird eine Zeit kommen, wo ich die Gelegenheit habe, nachzudenken. Dann
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