0532 - Der Blutschwur
schaute über die Schultern hinweg mit seinem haßerfüllten und flammenden Blick auf Goran.
»Du wolltest töten?« schrie er. »Wolltest du das wirklich, verdammter Hundesohn?«
»Ja!«
»Dann werde ich deinen Freund hier umbringen. Ich jage ihm eine Kugel durch den Schädel.«
»Mitic!« rief ich. »Seien Sie vernünftig. Sie…«
»Halt dein Maul, Sinclair!« brüllte er verbissen zurück. »Jetzt bin ich an der Reihe!«
»Sie erreichen nichts.«
»Doch, ich werde…«
»Dein Freund hat recht. Du erreichst wirklich nichts. Du machst dich nur lächerlich«, sagte Goran laut. »Drohen kannst du uns nicht. Meine Freunde freuen sich darauf, in den Tod gehen zu können. Sie sind Menschen, die das Jenseits lieben…«
»Darauf würde ich mich nicht verlassen, Goran! Es ist etwas anderes, ob ich einen deiner Diener umbringe oder er es selbst tut, wie euch dieser komische Ramis lehrt. Ich kann mir nicht vorstellen, daß die Seele des Verstorbenen den gleichen Weg gehen wird!«
»Da hast du im Prinzip recht. Das Ritual muß eingehalten werden. Aber jeder meiner Freunde weiß, daß bei uns die Rücksicht eine Grenze hat. Muß ich noch mehr sagen?«
»Was? Du würdest deinen Freund hier opfern?«
»Für die große Sache opfere ich jeden. So ist es uns beigebracht worden, und daran halte ich mich auch. Hast du sonst noch Fragen?«
Mitic war verunsichert. Ich schaute ihn an, und mein Blick konzentrierte sich besonders auf seine Waffe, deren Mündung er gegen die Stirn des jungen Mannes gepreßt hielt.
Der Zeigefinger des Kollegen hatte sich um den Abzugshahn gelegt. Er zitterte ein wenig, für mich ein Zeichen, daß dieser Mensch unter einem hohen Druck stand.
Goran blieb weiterhin gelassen. »Bevor ich endgültig dazu komme, euch zu vernichten, möchte ich euch noch etwas zeigen. Bisher habt ihr über die Macht des Ramis gelacht. Ihr habt den Schwan nicht ernst genommen, das war ein Fehler. Ich werde euch zeigen, wie ernst er zu nehmen ist. Schaut ihn euch an, schaut ihn euch genau an und sagt mir, was ihr seht!«
Er hatte seine Hände wieder um den schwarzen, leicht glänzenden und vom Widerschein der Kerzen übergossenen Körper gelegt. Bisher war der Schwan für uns ein starres Gebilde gewesen.
Jetzt nicht mehr.
Ich glaubte nicht an eine Lichtspiegelung, als das Steintier plötzlich seinen Hals bewegte. Er schwang von einer Seite zur anderen, zu vergleichen mit dem Körper einer Schlange, die von einem Beschwörer unter Kontrolle gehalten wird.
»Das ist er! Das ist der Geist des großen Ramis, die unzerstörbare Seele, die sich verteilen kann, gegen die kein Sterblicher auf dieser Welt ankommt. Ramis ist mächtiger als die Sterblichen. Er kann Welten verändern und den Lauf der Gestirne beeinflussen. In diesem Schwan steckt ein Teil seines Geistes, und ich habe ihn jetzt befreit.«
Zu sehen war nichts, doch zu hören.
Wind kam auf.
Woher, das wußte keiner von uns zu sagen. Jedenfalls hörten wir innerhalb dieses Gewölbes das Heulen und Klagen, als würden zahlreiche Seelen allmählich verbrennen.
Zum erstenmal regten sich auch die Finsteren. Sie hoben die Köpfe und schauten gegen das düstere Deckengewölbe. Wir sahen, wie sie zitterten. Sie standen unter einer großen Erwartung, einem Druck und wollten auf keinen Fall enttäuscht werden.
Ich wollte nicht, daß wir das gleiche wie auf dem verdammten Friedhof erlebten.
Ich sah, daß Suko seine Hand unter die Jacke geschoben hatte. Sicherlich umklammerte er dort den Stab Buddhas, der ihm überlassen worden war. Ich schüttelte den Kopf.
Mit einer Bewegung der Augen deutete mir Suko an, daß er mich verstanden hatte.
Ich schob meine Hand in die Tasche, denn dort befand sich mein Kreuz. Ich wollte sehen, ob der Geist des Ramis tatsächlich so mächtig war, wie Goran glaubte.
»Ist er so stark?« schrie ich laut in das Gewölbe hinein.
»Ja, das ist er!«
»Stärker als dies?«
Noch während ich die Frage stellte, riß ich das Kreuz aus der Tasche und hielt es ihm entgegen.
Goran stand steif.
Die anderen wurden unruhig. Sie hatten schon auf dem Friedhof erlebt, daß dieser Talisman einen magischen Ring zerstören konnte.
Jetzt versuchte ich es wieder.
Ich ging auf Goran zu.
Plötzlich war es still geworden. Sämtliche Blicke hefteten sich auf mich. Man starrte mich an, man wollte sehen, ob ich tatsächlich den Mut besaß, gegen Ramis direkt anzugehen und damit gegen den schwarzen Schwan.
Ich passierte den ersten Diener der schwarzen
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