0536 - Das Haus der Seelenfresser
seelenfressenden Nebelgeist eine Menge Gesichter gesehen. Gespenster. Menschen, die gestorben sind. Alle vereint in diesem nebelhaften Etwas. Ein Gesicht war besonders deutlich zu erkennen.« Zamorra nickte. Er wußte um die rätselhafte Fähigkeit des Freundes, Gespenster sehen zu können. Tendyke bemerkte Dinge, die den Sinnen sogenannter normaler Menschen verschlossen blieben.
Er fuhr fort: »Als ich das Gesicht beschrieb, glaubte Uschi ihn zu erkennen.«
Die Telepathin protestierte. »Ich glaubte nicht nur, ich habe ihn erkannt! Es war Roland!«
»Wer ist Roland?« wollte Nicole wissen.
»Roland Mercant«, sagte Uschi. »Ein Bekannter aus alten Studentenzeiten. Wir sind uns in Münster, Deutschland, über den Weg gelaufen. Er studierte Sprachen noch und nocher, ist damals sogar in der Sowjetunion gewesen. Er kommt aus Orlando. An der Sorbonne war er übrigens auch«, nickte sie Zamorra zu, der an der Pariser Universität oft genug Vorlesungen gehalten hatte. »Die Welt ist klein, nicht wahr?« fuhr sie fort. »Vor zwei Tagen tauchte er hier auf. Rob war da gerade in El Paso in der Firmenzentrale. Roland sagte, er hätte nicht sehr weit von hier ein Haus geerbt und wolle es sich nun ansehen. Er sagte, das Haus sei an der Nordseite des Okeechobee-Sees. Irgendwo zwischen den Orten Okeechobee und Sherman.«
Zamorra nickte und preßte die Lippen zusammen. »Monica hat mir heute morgen davon erzählt.« Und sie hatte noch etwas gesagt. Eine etwas arg verrückte Theorie…
Warum soll es nur in England Geisterhäuser geben?
So verrückt war diese Theorie of fensichtlich gar nicht gewesen. Hatte Monica etwas geahnt? Hatten ihre telepathischen Fähigkeiten ihr mehr verraten, als sie es sich bewußt eingestehen konnte?
»Dieses Haus liegt genau in der Linie, die Merlins Stern mir gezeigt hat«, erklärte der Parapsychologe.
Für ein paar Sekunden schwiegen sie alle.
»Dann«, sagte Zamorra schließlich, »haben wir’s ja…«
***
Shirona war ins Haus der Seelenfresser zurückgekehrt. Sie legte das Amulett nicht wieder ab. Das zog ihr weiteren Haß der Nebelgeister zu, die es mit dem Recht der Erst-Entdecker für sich beanspruchten und in der mächtigen Shirona eine Diebin sahen. Aber noch waren sie nicht in der Lage, erneut gegen sie zu rebellieren. Die erste Niederlage reichte ihnen.
Sie mußten abwarten.
Die Sklavenhalterin hatte ein weiteres Amulett mitgebracht. Es schien jedoch eine Attrappe zu sein, eine Nachbildung, denn es war nicht silbern, sondern schwarz, obgleich es ansonsten dem von Shirona gestohlenen völlig glich. Aber vielleicht hatte jedes dieser Amulette von Natur aus eine andere Farbe? Woher sollte das Kollektiv der Nebelgeister etwas darüber wissen?
Im gleichen Moment stellte das Kollektiv alle Aktionen ein, über neue Seelen weitere Kraft zu gewinnen.
Durch den Kraft-Schub, der bisher erfolgt war, war das Kollektiv schlau genug geworden, um zu wissen, daß es Shirona nur in die Hände arbeitete, wenn es stärker wurde.
Shirona war zwar die Herrin durch ihre Macht, aber nicht beliebt.
Sklaven hatten ihre Herren noch nie gemocht…
Der Wille zum Widerstand wuchs ins Gigantische.
Es mußte eine Möglichkeit geben, Shirona zu überwinden, obgleich sie das Amulett als ultimatives Machtmittel benutzte…
***
In dieser Nacht ließ sich nicht mehr viel unternehmen, das war jedem von ihnen klar. Ein Flug mit dem Hubschrauber schied aus, weil erstens der Chinook längst wieder nach Miami zurückgeflogen war, zweitens speziell Zamorra und Monica Peters aus verständlichen Gründen momentan eine erhebliche Abneigung gegen Hubschrauberflüge zeigten und die Charterfirma eine weitere Maschine wohl kaum vor Klärung des Todesfalles und des Totalschadens zur Verfügung stellen würde.
Wie es aussah, würden sie mit einem Auto zum Lake Okeechobee fahren. Ein Start jetzt in der-Nacht würde sie allerdings völlig übermüdet ankommen lassen; Tendyke schätzte die Fahrzeit für die rund 200 Kilometer auf annähernd vier Stunden.
»Erst ausruhen und morgen bei Tageslicht hinfahren«, schlug er vor. »Dann können wir uns auch bei Licht umsehen und brauchen nicht in völliger Dunkelheit herumzustolpern. In der Zwischenzeit wollen wir hoffen, daß wir von weiteren Überfällen verschont bleiben.«
»Dagegen absichern können wir uns nicht?« fragte Uschi unbehaglich. »Ich wüßte nicht, wie«, gestand Zamorra. Wenn er seinen ›Einsatzkoffer‹ bei sich gehabt hätte, wäre es vielleicht möglich
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