0536 - Götzendämmerung

„Wenn die Sonne hinter den Häusern verschwunden ist und wir noch nicht aus dem Göttersitz zurück sind, dann mußt du die Sterblichen zu den Waffen rufen und unseren Kampf siegreich zu Ende führen. Mit dem Sonnenuntergang soll die Götzendämmerung beginnen."
    Alpha wandte sich ab und schritt zusammen mit seinem Bruder auf das ruhig daliegende Walzenschiff der Springer zu.
    „Das war einfach Klasse, wie du das hingekriegt hast", lobte Beta. „Vor allem war es psychologisch sehr klug. Du hast richtig erkannt, daß sich die Bewohner dieser Welt bestimmt nur zähneknirschend unterdrücken und ausbeuten lassen -selbst wenn es sich bei den Tyrannen um angebliche Götter handelt.
    Du hast eben einen Funken zur Rebellion entzündet, der auf alle Unterdrückten übergreifen und ihre Wut gegen die falschen Götter entflammen wird. Dem sind die Springer nicht gewachsen.
    Nur sehe ich nicht den Schimmer einer Lebensversicherung für uns."
    Alpha nickte ernst. „Du hast recht, für uns könnte dieses Abenteuer ins Auge gehen. Aber wenn wir fallen, dann sind wir für eine gute Sache gestorben."
    „Das ist beruhigend, das ist sehr beruhigend", sagte Beta mißmutig.
    Sie betraten die YANARA nicht durch die Hauptschleuse, sondern drangen durch eine Notschleuse ein, die von außen durch ein Handrad geöffnet werden konnte. Die Zwillingsbrüder hatten richtig vermutet, daß die Springer durch die Verdummung die meisten der schiffseigenen Anlagen nicht mehr bedienen konnten.
    So schien auch die Notschleuse seit Jahren nicht benutzt worden zu sein. Es war niemand in der Nähe, der sie bewachte.
    „Die Springer scheinen sich hier sicher zu fühlen", meinte Beta, während .sie aus einem Seitengang in den Hauptkorridor kamen.
    Hier waren alle Förderbänder stillgelegt, nur die Notbeleuchtung brannte.
    „Warum sollen sie sich nicht sicher fühlen", entgegnete Alpha.
    „Von den Tonarern jedenfalls haben sie nichts zu befürchten.
    Uns kommt das gelegen."
    Aus den Lautsprechern der Rundrufanlage kam ein Knacken, dann ertönte eine Stimme: „Die beiden Yanarsaren, die eben angekommen sind, sollen sich sofort in der Komr mandozentrale einfinden. Die beiden Yanarsaren sollen sofort in die Kommandozentrale kommen!"
    Beta grinste. „Die Springer glauben, wir gehören zu ihnen. Sie haben nicht einmal erkannt, daß wir terranische Kampfanzüge tragen."
    „Sie werden den Unterschied noch früh genug herausfinden", sagte Alpha. „Lassen wir den Patriarchen ruhig ein wenig zappeln, bevor wir seiner Aufforderung nachkommen. Sehen wir uns erst einmal im Schiff um. Ich möchte sehen, welche Schätze hier gehortet sind."
    Sie durchsuchten zuerst die Laderäume im rückwärtigen Teil des Schiffes. Dabei stellten sie fest, daß alle Laderäume mit Ballen der gleichen Art vollgestopft waren.
    Alpha riß einen der Ballen auf und entdeckte, daß er getrocknete Pflanzenblätter beinhaltete. Er zerrieb ein Blatt zwischen den Fingern und leckte mit der Zunge an dem grauen Staub, zu dem das Blatt zerfallen war. Er verzog angewidert das Gesicht.
    „Rauschgift!" stellte er fest. „Alle Laderäume sind mit einer Pflanzenart vollgestopft, aus der Rauschgift gewonnen wird. Wir können froh sein, daß die Verdummungswelle über die Galaxis hereingebrochen ist, bevor die YANARA startete. Sonst wären vielleicht jetzt schon Milliarden Menschen süchtig."
    Sie ließen die Laderäume hinter sich und kamen in die oberen Decks des Vorschiffs, wo sich die Mannschaftsunterkünfte befanden. Dort kam es zum ersten Zwischenfall.
    Aus einer der Großkabinen drang ein hysterisches Geschrei - Plötzlich wurde die Tür aufgestoßen, und ein Springer mit einem wallenden roten Vollbart kam herausgetaumelt. Er strauchelte und blieb dann benommen auf dem Boden sitzen. Sein glasiger Blick verriet, daß er betrunken war oder unter Rauschgift stand.
    Als er die beiden Männer in den Druckanzügen bemerkte, grinste er schief.
    „Kein Wort an die Familienoberhäupter, Kameraden, ja?" sagte er mit unsicherer Stimme. „Wenn ihr dichthaltet, werde ich mich revanchieren."
    „Was ist passiert?" erkundigte sich Alpha.
    „Ich wollte mir ein wenig Spaß mit den Mädchen machen", erklärte der Springer. „Da ist doch nichts dabei, oder? Aber die machten einfach nicht mit. Störrische Weiber! Als ich anfing, meinen Charme spielen zu lassen, beförderten sie mich kurzerhand auf den Gang hinaus. Die Pioniere, die ihr Geld einmal in diese Mädchen investieren, tun mir heute schon