054 - Das Geheimnis der Mumie
Kilometer Entfernung auf.
Dank unserer magischen Fähigkeiten war die Flucht leicht zu bewerkstelligen. Als Haremhab mit seinen Leuten das Allerheiligste des Tempels stürmte, fand er niemanden vor – nur ich war geblieben. Von meinem Onkel war mir eine besondere Aufgabe zuerteilt worden, der ich mich schweren Herzens gefügt hatte. Ich sollte mich festnehmen lassen. Es war sicher, dass ich angeklagt werden würde. Ich war als Märtyrer bestimmt, der allen Anhängern Amuns die Kraft verleihen sollte, die kommenden schweren Jahre geduldig zu ertragen.
Bekanchos' Rechnung ging auf. Ich wurde gefangen genommen, angeklagt und für schuldig befunden, gegen eine Reihe von Dekreten des Pharaos verstoßen zu haben.
Das Urteil war keine Überraschung: Ich wurde zum Tode verurteilt.
Ohne zu klagen, fand ich mich mit meinem Schicksal ab. Ich fürchtete den Tod nicht, denn mein Tod bedeutete meine Unsterblichkeit. Ich musste sterben, um für immer leben zu können.
Soldaten brachten mich zum Amun-Tempel, dessen Tore jetzt geschlossen waren. Sie sperrten den Platz ab und drängten die wütende Menge zurück, die den Pharao verfluchte und lautstark nach Amun schrie. Zwei Schwarze fesselten meine Hände auf den Rücken, dann banden sie meine Fußgelenke zusammen und hoben mich auf zwei Stützbalken. Geduldig ließ ich alles mit mir geschehen. Ich hatte keine Furcht. Dünne Leinenbinden wurden um meine Beine geschlungen. Sie schnitten schmerzhaft ins Fleisch. Die Männer sparten nicht mit den Binden. Innerhalb weniger Minuten war mein Körper mit einer fünffachen Schicht umwickelt. Nur mein Gesicht blieb frei. Ich bewegte mich nicht, als heißes Wachs auf mein Gesicht aufgetragen wurde, meine Augen verklebte, in die Nase eindrang und meinen Mund versiegelte. Binden wurden auch um meinen Kopf geschlungen.
Ich hörte die erregten Schreie der Volksmasse. Dann war eine Stimme zu hören – laut und deutlich. Sie schien aus dem Nichts zu kommen. Es war Bekanchos, mein Onkel, der zur Menge mit verstellter Stimme sprach.
›Vor euch liegt Nefer, der sein Leben dem einzig wahren Gott geweiht hat: Amun.‹ Die Menge brüllte immer wieder ›Amun, Amun‹.
Bekanchos sprach weiter: ›Der König glaubt nicht an die Macht unseres Gottes. Er betet Aton an, diesen falschen Gott. Doch Amun wird wiederkommen. Nefer, der für Amun gestorben ist, ist für uns unsterblich. Solange sein Name nicht vergessen wird, wird er leben!‹ Mehr konnte ich nicht hören. Ich bekam keine Luft mehr. Das Wachs auf meinem Gesicht und die Leinenbinden verhinderten, dass ich atmen konnte. Ich starb, doch ich war nicht wirklich tot. Nur mein Körper war gestorben.
Du, die du dein Leben für mich hingeben wirst, du sollst die ganze Wahrheit erfahren.
Drei Tage lang wurde mein Körper vor dem Amun-Tempel ausgestellt. Dann wurde er mittels Magie von den Amun-Priestern entführt. Zwanzig Soldaten bewachten meinen toten Leib, doch sie konnten nicht verhindern, dass ich verschwand.
Die Nachricht von meinem Verschwinden verbreitete sich in Windeseile in ganz Theben. Das Volk glaubte an ein Wunder. Auch wenn sich die meisten jetzt zu Aton bekannten, ihr Herz hing an Ägyptens alten Göttern. Bekanchos, mein Onkel, hielt sein Wort. In einem der Seitentäler ließ er für mich ein Grab errichten, ein verwirrendes Höhlensystem, das fünf Eingänge hatte, die magisch gesichert wurden.
Nach meinem Tod nannte mich das Volk Nefer-Amun. Mein Grab füllte sich mit Geschenken. Alle diese Grabbeigaben manifestierten meine magischen Kräfte. Sie wurden eins mit meinem Ka, meiner Seele. Die unzähligen Juwelen, Amulette, Skarabäen und Gebrauchsgegenstände gehörten zu mir.
Zehn Jahre verstrichen, in denen mir zu jedem Vollmond ein Menschenopfer dargebracht wurde. Das Ba der Sterbenden lud mein Ka auf, machte es immer mächtiger. Fünf Jahre später war es so weit. Mein Geist, der fünfzehn lange Jahre sich nicht von meinem Körper lösen konnte, tat den entscheidenden Schritt. Ich erschuf einen Astralkörper und erschien meinen Anhängern, die zu Boden fielen und an ein Wunder glaubten. Ich konnte meinen Scheinkörper perfekt bewegen, sprechen, alles verstehen und blitzschnell große Entfernungen überwinden.
Zu meinen Ehren war von Bekanchos ein Geheimkult ins Leben gerufen worden, der mich als eine Art Halbgott verehrte. Ich ließ mir Bericht erstatten, was in den fünfzehn Jahren meines Schlafes geschehen war, und was ich zu hören bekam, erzürnte mich. Wahrlich, der
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