054 - Das Geheimnis der Mumie
Augenblick kam Coco mit dem VW an. Sie sprang aus dem Wagen und lief Kassim nach. Nach wenigen Minuten hatte sie ihn erreicht.
Susan Baxter lief hundert Meter vor ihnen. Die Mumie hatte sich ihr schon bedenklich genähert.
»Die Mumie ist also nicht tot«, stellte Coco fest.
»Sie ist plötzlich aufgetaucht«, keuchte Kassim, »und hat sich die Gegenstände geholt, die aus ihrem Grab stammen. Sie lösten sich auf, nachdem Nefer-Amun sie berührt hatte.«
»Weshalb verfolgt die Mumie Susan?«
Kassim blieb überrascht stehen. Susan hatte eine Kette an sich genommen.
»Susan!«, brüllte Kassim so laut er konnte. »Wirf die Kette fort!«
Doch Susan hörte ihn nicht. Sie umklammerte noch immer die Kette, merkte gar nicht, dass sie sie festhielt. Ihre Schritte wurden immer kleiner. Sie konnte sich kaum noch auf den Beinen halten, torkelte, stolperte und fiel auf die Knie. Ihr Morgenmantel öffnete sich.
Und da war die Mumie heran. Sie blieb hinter ihr stehen, hob die Arme, bückte sich und griff nach ihr.
»Wirf die Kette weg!«, brüllte Kassim.
Die Kette! Ihr Blick fiel auf die Goldkette, und sie schleuderte sie einige Meter weit fort. Augenblicklich ließ die Mumie von ihr ab, packte die Kette und hielt sie in die Höhe. Die Kette löste sich auf.
Nefer-Amun drehte sich um und ging auf die Felswand zu. Kassim kümmerte sich um Susan, während Coco der Mumie folgte. Sie versuchte Magie anzuwenden, doch die Mumie ließ sich nicht aufhalten. Sie betrat eines der unzähligen kleinen Seitentäler und war plötzlich verschwunden.
Coco presste die Lippen zusammen. Lange starrte sie in das schmale Tal. Schließlich drehte sie sich um und ging zu Kassim, der Susan hochgehoben hatte und zurück ins Lager trug.
Eine Stunde später hatte sich Susan vom Schock erholt. Sie saßen in Susans Hütte. Kassim hatte eine Flasche Omar-Kayam geöffnet.
Coco hob das Glas. Der Wein leuchtete dunkelrot – wie Blut. Langsam trank sie einen Schluck.
»Ich fürchte, dass Sie Nefer-Amuns Grab leer vorfinden werden, Gamal«, sagte sie. »Sie werden auch nicht seinen Körper finden.«
Kassim kniff die Augen zusammen und zündete sich eine dünne Zigarre an. »Abwarten!«, sagte er.
Coco schüttelte den Kopf und lächelte. »Denken Sie an meine Worte, Gamal! Ich bin sicher, dass Nefer-Amun einen Großteil seiner Fähigkeiten zurückbekommen hat. Er weiß, dass Sie sein Grab suchen. Die Mumie ist nicht mehr so mächtig, wie sie es noch vor einigen Monaten war, aber sie wird sich und ihre Grabbeigaben in Sicherheit bringen.«
»Das kommt mir doch ziemlich unwahrscheinlich vor.«
»Mir nicht«, schaltete sich Susan ein. »Nefer-Amun hat die Grabbeigaben zurückgeholt. Wie wir von Cardin und Abd-el-Baran wissen, wurden einige Gegenstände an ein Dutzend Leute verkauft, die außerhalb Ägyptens leben. Jetzt frage ich mich, ob sich die Mumie daranmachen wird, auch diese Gegenstände zurückzuholen. Was meinen Sie, Coco?«
»Ich fürchte, Sie haben Recht, Susan«, sagte Coco. »Die Mumie wird alles daransetzen, die Grabbeigaben zu bekommen. Ich kehre morgen nach London zurück und werde allen Besitzern der Grabbeigaben eine Warnung zukommen lassen.«
Kassim lachte. »Sie überschätzen die Fähigkeiten der Mumie gewaltig. Wie soll es ihr möglich sein, an Gegenstände heranzukommen, die sich in den USA, in Süd-Afrika, in Australien und Europa befinden?«
Coco antwortete nicht. Sie wusste, dass ihr Abenteuer mit der Mumie noch nicht zu Ende war.
Was war vor drei Monaten geschehen? Was hatte dazu geführt, dass Nefer-Amun einen Großteil seiner Fähigkeiten verloren hatte? Auf diese Fragen wusste sie noch keine Antwort, doch sie würde alles daransetzen, um mehr über Nefer-Amun zu erfahren.
Coco trank ihr Glas leer, stand langsam auf und trat vor die Hütte. Der Mond schien auf die Steilwände von Deir-el-Bahari. Irgendwo schrie ein Nachtvogel.
Coco war sicher, dass sie bald von der Mumie etwas hören würde.
Und sie sollte sich nicht täuschen.
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