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054 - Gabe und Fluch

054 - Gabe und Fluch

Titel: 054 - Gabe und Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Frenz
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aufstampfte, dann nicht, weil ihn der Zorn dazu trieb, sondern weil er einen wohlkalkulierten Plan verfolgte.
    Zumindest redete er sich das ein, während sich die Erschütterung durch die Zelle fortpflanzte.
    Fudoh schreckte von seiner Pritsche hoch. Seine Pupillen glänzten fiebrig, während er für Sekunden zwischen Traum und Wirklichkeit schwebte.
    »Keiko!«, schrie er, bevor dem Erwachen die Erinnerung an seine Gefangenschaft folgte. Die Augen wurden wieder stumpf und das Bild auf dem Gehirnwellenscanner mutierte zu einen einsamen Strand, der nicht mehr als ein paar anrollende Wellen zu bieten hatte.
    Immer derselbe Traum, derselbe Frauenname und derselbe Strand. Langweiliger ging es wirklich nicht. Es wurde Zeit für etwas Neues.
    Takeo steckte den Scanner in ein Seitenfach seines künstlichen Oberschenkels, das surrend einklappte. Der General sah auf. Seine Pupillen verrieten eine gewisse Neugier, doch er besaß zu wenig Gesichtszuge, um wirklich zu deuten, was er empfand.
    Miki wuchtete seinen tonnenschweren Körper in Richtung Zellengitter, in der Hoffnung, Fudoh durch seine imposante Erscheinung zu beeindrucken.
    »Ihre Kamikaze verwüsten das Valley«, eröffnete er das Gespräch auf Japanisch, um eine vertrauliche Basis zu schaffen. Zuckerbrot und Peitsche, dieses Prinzip hatten schon die alten Römer bei Verhören angewandt.
    Fudoh gab sich nicht sonderlich beeindruckt. »Danke, freut mich zu hören.«
    »Warum tun Sie das? Die Menschen in diesem Tal haben Ihrem Volk kein Leid zugefügt.«
    Das zerfressene Gesicht im Halbdunkel der Zelle regte sich keinen Millimeter. »Es sind Amerikaner, das ist Grund genug, sie zu töten.«
    »Wie bitte?« Temperaturanstieg um 1,5 Grad. Ursache unbekannt. Fehlersuche läuft.
    »Das ist doch nicht Ihr Ernst? Ein gebildeter Mensch glaubt nicht an Stammesfehden oder Machtgewinn durch territoriale Expansion.«
    »Spar dir deine simulierte Empörung, du Blechkasten! Tausende meines Volkes sind zu Tode gekommen, und kein Amerikaner hat ihnen auch nur eine Träne nachgeweint.« Er wurde beleidigend, das war gut. Je mehr Emotionen Fudoh zeigte, desto größer die Chance, das er seine Beherrschung verlor.
    Takeo stemmte seine riesigen Pranken in die brünierte Hüfte, um den wuchtigen Körper voll zur Geltung zu bringen. Gleichzeitig modulierte er die Stimme einige Nuancen tiefer als gewöhnlich. »Was soll dieses ihr und wir überhaupt?«, dröhnte es aus seinem Kopflautsprecher. Eindeutig zu viel Bass. Seine internen Sensoren regelten nach, bis er in optimaler Tonlage fortfuhr: »In Meeraka gibt es auch viele Japaner! Nehmen Sie nur meine Frau, meinen Sohn und mich. Wir haben dieselben Wurzeln wie Sie!«
    Fudohs Zähne radierten in einem unbeherrschten Zucken übereinander. Mühsam rang er um seine Beherrschung, bis es ihn nicht länger auf seiner Pritsche hielt. Mit einem Satz katapultierte er sich durch die Zelle, direkt ans Gitter.
    »Wagt es nicht, euch Japaner zu nennen«, brach es aus ihm hervor, während er an den Stäben rüttelte. »Ihr seid elende Verräter, die mit dem Feind kooperieren!«
    Miki verspürte echte, wahrhaftige Überraschung. Das musste mit der Konfusion seines Wartungssystems zu tun haben, das immer noch nicht die Ursache für den Temperaturanstieg gefunden hatte. »Was soll der Unsinn?«, begehrte er auf. »Ich versichere Ihnen, dass ich niemals feindliche Absichten gegen…«
    »Lüge!«, brüllte Fudoh. »Ich habe doch das Zeichen des Bösen in deinen Räumen gesehen!« So überraschend, wie der Ausbruch gekommen war, so schnell verging er auch wieder. Ohne seine Worte zu erklären wandte er sich ab und kehrte zur Pritsche zurück.
    »Glaube nicht, dass du uns täuschen kannst, Takeo. Wir wissen, woran du forschst und mit wem du dabei paktierst. Glaub mir, du stehst ganz oben auf unserer Liste.«
    Fudoh ließ sich auf der Pritsche nieder und lehnte mit dem Rücken an die Wand. Seine Wangen kerbten sich ein, wie zu der Zeit, als er noch lächeln konnte. »Du kannst mich nicht mit schönen Worten täuschen, Takeo. Ich weiß, dass du mein Feind bist.«
    Klassischer Fall von Verfolgungswahn, eine andere Analyse gab es nicht. Leider stand Fudoh mit seiner verqueren Meinung nicht allein, sondern befehligte eine ganze Armee, die auch in seiner Abwesenheit in seinem Sinne handelte. Wie ließ sich das nur erklären? Woher kam all der Hass?
    »Ihr Gesicht macht Ihnen zu schaffen, habe ich Recht?« Der Androide spielte seinen letzten Trumpf aus. »Wir

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