054 - Gucumatz der Allmächtige
fand, schien es fast so, als hätte Joe Farmer eben an diesem Tag den Inhalt der Schublade durchgesehen.
Peter drehte den Schlüssel, zog die Lade auf und sah, daß sie mit Stahl ausgekleidet war und einen Stahldeckel hatte. Dieser besaß kein Schloß, und als Peter ihn hochhob, entdeckte er verwundert, daß die Schublade nichts weiter enthielt als zwei gefaltete Dokumente. Er nahm sie heraus und faltete sie auseinander. Das erste war der Bauplan eines Architekten für eine große Arbeiterwohnsiedlung. Peter war enttäuscht. Dieses Bauprojekt war vermutlich eines der vielen Geschäfte, an denen Joe Farmer beteiligt gewesen war.
Das zweite Dokument bestand aus zwei Bogen Papier, die die Seitenzahlen 3 und 4 trugen. Die Seiten 1 und 2 fehlten. Aus Form und Ausdrucksweise des Geschriebenen war zu ersehen, daß es sich um Teile eines polizeilichen Protokolls handelte. Peter las. »›...war mir der besagte William Lane als Falschgeldhändler bekannt. Er handelte mit Blüten, wie man hier sagt. Ich hatte William Lane in einer Gastwirtschaft kennengelernt, dem Rose and Crown, dessen Pächter ich bin. Er erzählte mir, er wäre zur See gefahren und nicht oft in England gewesen, und fragte mich, ob ich Interesse an guten Blüten hätte. Er behauptete, er wäre Drucker und könnte mir Fünfer besorgen, soviel ich brauchte. Er hätte zwanzig davon schon im West End unter die Leute gebracht, ohne daß jemand was gemerkt hätte. Ich dachte, er mache Witze, und sagte, es würde mir nicht im Traum einfallen, ein Verbrechen zu begehen. Darauf lachte er, aber zwei Tage später, als ich im West End zu tun hatte, kam er in meine Bar und fragte den Barkeeper, ob er ihm eine Fünfpfundnote wechseln könne. Der Barkeeper wechselte sie ihm und erzählte mir die Sache am Abend. Ich dachte mir zunächst nichts dabei. Erst als ich das Geld zählte, um es zur Bank zu bringen, fiel mir das Gespräch mit William Lane wieder ein und ich sah mir den Schein genau an. Er schien völlig in Ordnung, aber irgendwie traute ich dem Frieden nicht, und sobald die Banken aufmachten, ging ich mit dem Schein zur Barclay's Bank in Tidal Basin und fragte den Kassierer, ob der Schein echt sei. Er erklärte mir, es handle sich um eine Fälschung, und erzählte mir, es seien bereits mehrere Beschwerden eingegangen und die Polizei hätte auf die große Zahl gefälschter Banknoten aufmerksam gemacht, die derzeit im Umlauf seien. Ich ging mit dem Schein sofort zu Inspektor Bradbury vom zuständigen Revier und berichtete ihm von meinem Gespräch mit William Lane, besonders von Lanes großsprecherischer Behauptung, er könne mir Scheine liefern, die keiner als gefälscht erkennen würde. Der Inspektor riet mir, mich still zu verhalten, und plazierte einen seiner Leute in meiner Gastwirtschaft. William Lane kam nicht wieder, und am 17. berichtete mir der Inspektor, daß man sein Haus durchsucht und Druckerpressen zur Herstellung von Falschgeld entdeckt habe. Weitere Aussage: Es sei nicht wahr, daß William Lane nur einmal in der Gastwirtschaft gewesen sei, um die Fünfpfundnote zu wechseln, und daß kein Gespräch über Falschgeld stattgefunden habe.
Im Verhör durch den Kronanwalt: Es sei nicht richtig zu sagen, er sei ein Freund Lanes gewesen. Er habe ihn nur zweioder dreimal gesprochen und habe ihn nur als Stammgast des Rose and Crown gekannt. Er wisse nicht einmal, wo oder bei wem er wohne, und kenne auch seine Freunde nicht.‹ Hier endeten die Aufzeichnungen. Es fehlte ganz offensichtlich eine Seite, aber sie war nirgends zu finden. Schließlich drehte Peter ohne viel Hoffnung den zweiten Bogen um, und da fand er, mit Bleistift niedergeschrieben, die Fortsetzung der Aussage. Sie war in Farmers krakeliger Handschrift festgehalten, doch Peter konnte sie gut lesen.
»Ich bin sicher, daß der Mann William Lane war. Direkt über seinem linken Handgelenk hatte er nämlich die Narbe einer alten Stichwunde, die ihm, wie er sagte, von einem Neger auf einem seiner Schiffe beigebracht worden war.«
Unten auf der Seife waren noch drei mit Tintenstift geschriebene Zeilen: »A. Bone starb am 14. Februar 1922. Harry, der Barkeeper, Calle Rosina 18, B. A., sehr krank.«
Peters Augen blitzten vor Erregung. Ohne Zögern faltete er die Papiere und steckte sie ein, wollte den Bauplan gerade wieder in die Schublade legen, als er den Namen des Architekten und die Jahreszahl 1917 sah. Weshalb hatte Farmer einen so alten Plan aufgehoben? Vielleicht ergab sich da eine neue Spur.
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