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054 - Gucumatz der Allmächtige

054 - Gucumatz der Allmächtige

Titel: 054 - Gucumatz der Allmächtige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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suchte, und legte einen kleinen Gegenstand auf den Tisch, der aussah, als wäre er aus grauem Schlamm geknetet.
    Mit einem Nicken sah er zu Peter auf und sagte: »Sie sind der Herr von der Zeitung, der eine Auskunft über die gefiederte Schlange sucht? Schön, junger Freund, hier haben Sie ein solches Stück.«
    Peter nahm das Objekt neugierig in die Hand. »Seien Sie vorsichtig«, warnte Beale, »dieses komische kleine Ding hat einen Wert von nahezu tausend Pfund. Es ist eine ›Gefiederte Schlange‹ der Maya - die einzige, glaube ich, die je in einer Maya-Stadt gefunden wurde. Eine große Anzahl wurde andernorts gefunden; ich habe einige mitgebracht, aber das hier ist eine ehrwürdige Maya-Schlange und sie sollte mit Respekt behandelt werden.«
    Peter konnte jetzt erkennen, daß das scheinbar formlose Ding eine feste Gestalt hatte: eine zusammengerollte Schlange mit eigentümlichen kleinen Auswüchsen, die wohl die Federn sein sollten.
    »Was hat die gefiederte Schlange für eine Bedeutung, Mr. Beale?« fragte er.
    Beale lehnte sich in seinem Sessel zurück und legte die Fingerspitzen aneinander. »Die gefiederte Schlange«, begann er, beinahe als wolle er einen Vortrag halten, » verkörperte bei den Azteken den Schöpfer. Sie war das erste Wesen. Sie existierte, wie sie sagten, ›ehe zwei Dinge einander berührten‹; mit anderen Worten, bevor es die Materie gab. Sie symbolisierte die höchste Herrschaft und war zugleich eine Art aztekischer Nemesis. Sie können ermessen, wie weit diese Tradition zurückging, wenn ich Ihnen sage, daß sie für die späteren Azteken, für die, gegen die Cortez kämpfte und die er unterwarf, nur noch ein Mythos war. In den aztekischen Tempeln wurde sie nicht mehr verehrt, war vielmehr durch eine ganz neue Götterhierarchie verdrängt worden. Aber« - hier hob er einen Zeigefinger, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen - »es hat immer eine kleine Gruppe gegeben - damals wie heute -, die die ›Gefiederte Schlange‹ weiterhin verehrte. Sie werden vermutlich mit Erstaunen hören, daß es noch heute in Mexiko und Spanien, ja sogar in England Anhänger der ›Gefiederten Schlange‹ gibt - des Herrlichen Goldenen Lichts, des Lebensspenders.«
    »Ist das eine Religion?« fragte Peter.
    »Weniger eine Religion als eine Geheimgesellschaft, glaube ich«, antwortete Beale mit einem flüchtigen Lächeln. »Ich weiß wirklich kaum etwas darüber und kann Ihnen eigentlich nur erzählen, was ich aus anderer Quelle gehört habe.«
    Wieder läutete er.
    »Würden Sie Miss Olroyd bitte mit der Haushälterin bekannt machen«, sagte er, als der Butler eintrat. »Sie sagt Ihnen, wo Sie Ihre Sachen unterbringen können, Miss Olroyd«, fügte er zu Daphne gewandt hinzu.
    Peter wartete gespannt. Daß Beale Daphne Olroyd gerade jetzt hinausgeschickt hatte, war gewiß kein Zufall. Seine Vermutung erwies sich als richtig. Als Beale die Tür geschlossen hatte, fragte er sofort: »Ist über den Mord etwas Neues ans Licht gekommen?«
    »Nichts«, antwortete Peter. »Sie haben die Morgenzeitungen gelesen?«
    Beale nickte. » Es war die Sache mit der gefiederten Schlange, die mich interessiert. Sie ist für sich nämlich eine sehr reale und potente Kraft. Ich bin nie Mitgliedern dieser Geheimgesellschaft begegnet und habe keine Ahnung, welchen Regeln sie sich verpflichten müssen. Ich wollte vor der jungen Dame nicht sprechen, weil das kein Thema für junge Leute ist obwohl Sie selbst mir auch nicht gerade wie ein reifer älterer Herr erscheinen«, fügte er lächelnd hinzu. »In Mexiko ist die Verehrung der gefiederten Schlange so weit heruntergekommen, daß das Symbol zum Wahrzeichen gewisser Gefängniscliquen geworden ist; mit anderen Worten, die gefiederte Schlange ist eine Art Fetisch für einen bestimmten Schlag von Kriminellen. Ich weiß nicht, ob das auch in England so ist, aber ich weiß, daß es sich in mehreren lateinamerikanischen Staaten so verhält.«
    »Geheimgesellschaften in Gefängnissen?« fragte Peter erstaunt. »Warum nicht?« meinte Beale lächelnd. »Geheimgesellschaften sind bestenfalls kindliche Unterhaltung; und Unterhaltung haben Gefängnisinsassen ja weiß Gott dringend nötig. In manchen amerikanischen Gefängnissen gibt es verschiedene Arten von Vereinigungen, harmlos ohne Zweifel, aber es gibt sie, und sie haben alle ihre geheimen Losungsworte und besonderen Zeichen und all das, was zu so einer Vereinigung gehört. Ich hatte bis zu dem Moment, als ich den Bericht über dieses

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