054 - Gucumatz der Allmächtige
Rechnung bezahlt?« fragte Peter.
Die Wirtin erstaunte diese Frage nicht, sie schien sie auch nicht unverschämt zu finden. »O ja, er hat mir sogar mehr gegeben«, antwortete sie mit Genugtuung.
»Er gab Ihnen also -?« Peter hielt erwartungsvoll inne.
»Das ist meine Sache«, sagte die Frau bissig. Dann in verändertem Ton: »Ich glaub, er hat's ehrlich verdient. Er hat mir einen Fünfer gegeben, Mister. Sie sind doch nicht von der Polizei?«
»Nein, ich bin nicht von der Polizei, aber ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir die Nummer des Scheins sagen könnten.« Sie ging hinein. Als sie zurückkam, gab sie ihm einen Zettel, auf den sie eine Zahl geschrieben hatte.
»Danke«, sagte Peter.
»Er hat sie doch nicht geklaut, Mister? Er schuldete mir drei Wochenmieten.«
Peter beruhigte sie und fragte dann: »Dagelassen hat er nichts - einen Brief, irgendwelche Unterlagen oder so?«
»Nur den Umschlag, in dem der Brief war«, sagte die Frau nach kurzem Nachdenken. »Möchten Sie ihn sehen, Mister?« Sie ließ ihn diesmal eine ganze Weile warten, ehe sie mit dem zerknitterten Umschlag zurückkam.
»Wenn er das Geld nicht auf ehrliche Weise -«, begann sie. »Ganz sicher ist er auf ehrliche Weise dazu gekommen; da brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen.«
Er ließ den Taxifahrer am ersten Kaffeestand in der Commercial Road halten und bat ihn, für beide zu bestellen, während er sich den Briefumschlag ansah. Die Adresse darauf lautete »H. Merstham, 99 Little Hitchfold Street, Poplar«. Sie war mit Maschine geschrieben, und der Umschlag trug den Stempel einer Botenfirma. Peter interessierte jedoch vor allem die Form des Umschlags. Es mußte ein sehr dicker Brief gewesen sein, und es hätte Peter gewundert, wenn es nicht so gewesen wäre.
Gucumatz? - Gucumatz und der Schlüssel. Das waren die beiden Rätsel, deren Lösung zur Aufdeckung des Geheimnisses von entscheidender Bedeutung war.
Um sieben Uhr wurde es Tag. Die Zeit bis dahin brachte Peter damit zu, den Entwurf für die Geschichte niederzuschreiben, die sich, wie er hoffte, am Morgen in allen Einzelheiten offenbaren würde. In der Frühe des kühlen Morgens klopfte er an Beales Haus und wurde von einem Kriminalbeamten eingelassen, der ihn kannte.
»Mr. Clarke und Mr. Sweeney sind nach Hause gefahren«, teilte man ihm mit. »Sie sagten, wenn Sie kämen, sollten Sie auf keinen Fall etwas berühren.«
»Ist Mr. Beale schon auf?«
»Er trinkt in seinem Arbeitszimmer Kaffee.«
Peter klopfte und wurde aufgefordert einzutreten. Die Ermordung Leicester Crewes schien Beale tatsächlich aus seiner philosophischen Ruhe gebracht zu haben. Er sah aus, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen.
»Ich bin froh, daß Sie gekommen sind«, sagte er. »Ich wollte gern Ihre Ansicht zu dem Verbrechen hören - und zudem Verbrecher. Mir ist inzwischen der Gedanke gekommen, daß der Schuß vielleicht gar nicht für Crewe gedacht war.«
»Sondern für Sie?« meinte Peter und schüttelte lächelnd den Kopf. »Nein, das glaube ich nicht. Ich vermute, Mr. Beale, es tut Ihnen leid, daß Sie Lateinamerika den Rücken gekehrt haben?«
Gregory Beale rührte langsam seinen Kaffee um. Dann hob er den Blick zu Peter.
»Tja, diese Frage ist mir heute nacht durch den Kopf gegangen. Aber ich muß sagen, nein, es tut mir nicht leid. Besteht denn das Dasein darin, ein behütetes Leben zu führen und Unglücksfälle, wie wir gestern abend einen erlebt haben, unbedingt zu meiden? Das sind natürlich schmerzliche Erfahrungen, aber sie sind doch einfach ein Teil des Lebens. Sie haben außerdem noch einen anderen Wert, den ich hier nicht erörtern will, um Sie nicht zu schockieren.«
Peter war so früh nicht in Stimmung, zu philosophieren. » Mr. Beale, kennen Sie einen gewissen Harry Merstham Harry der Barkeeper genannt?«
Beale nickte ohne Zögern. »Ja. Seinetwegen hatte ich gestern abend Gewissensbisse und auch heute morgen noch ein wenig. Er war gestern hier und bat mich, ihm die Rückkehr nach Südamerika zu ermöglichen. Ich war leider recht unfreundlich zu ihm. Gestern abend tat mir das leid, und ich schickte ihm etwas Geld - genau gesagt, hundert Pfund«, fügte er lächelnd hinzu. »Das befreit mich dennoch nicht ganz von allem Vorwurf. Ich habe ihn durch meine Schroffheit verletzt und ziemlich erschreckt, und solche Eindrücke lassen sich so schnell nicht auslöschen.«
»Kennen Sie ihn gut?« »Nicht sehr. Er konnte sein Geld nie beisammenhalten und wechselte
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