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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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hörte Paul einen Schrei, voller Angst und Entsetzen. Jetzt gab es keinen Zweifel mehr für ihn. Es war Josepha, die da schrie.
    Paul wankte in die Richtung, aus der er die beiden Schreie gehört hatte. Die Laterne schien einen halben Zentner zu wiegen. Da sah Paul vor sich eine Kapelle, die er zuvor nicht bemerkt hatte.
    Paul ging in das kleine Bauwerk hinein. Auf den Stufen des Altars lag Josepha. Die Altarkerzen brannten. Ihr flackerndes Licht erhellte Josephas Gesicht.
    Sie bewegte sich im Schlaf, stöhnte. Sie murmelte etwas, und dann stieß sie wieder einen jener durchdringenden, schrecklichen Angstschreie aus, die Paul alarmiert hatten. Er trat zu ihr, beugte sich über sie.
    Josepha trug wieder die Kleider, die sie bei dem abendlichen Spaziergang angehabt hatte. Die Glanzlederstiefel, den lindgrünen Minirock und die helle Bluse. Auch den Chiffonschal, den sie zum Schutz gegen die Kälte des Abends umgelegt hatte.
    Sicher hatte sie einen Alptraum. Sie zuckte und stöhnte im Schlaf. Sie stieß Worte hervor wie: „Nein, nicht!“ und „Geht, geht weg, so geht doch!“ Paul konnte sich nicht erklären, wie sie in diese Kapelle gekommen war.
    Er faßte Josepha an der Schulter, rüttelte sie sanft. Es dauerte eine Weile, bis sie die Augen öffnete. Schlaftrunken, noch ganz im Bann ihres Traumes, blickte sie Paul an.
    „Ich bin wieder bei dir, Darling“, sagte er. „Du brauchst keine Angst zu haben. Sieh mich an, Josy, und sei ganz ruhig.“
    Josepha blickte Paul an. Sie erkannte ihn und stieß wieder jenen schrecklichen, gellenden Angstschrei aus. Paul wollte sie an sich ziehen, beruhigend auf sie einreden, ihr sanft über das Haar streichen, doch Josepha stieß ihn zurück mit jener Kraft, die nur der Wahnsinn oder die Todesangst verleihen. Sie sprang auf, rannte zum Ausgang der Kapelle.
    „Josepha“, rief Paul, „so bleib doch hier. Ich bin es, Paul.“
    „Mich kriegst du nicht, Henker“, schrie Josepha.
    Sie rannte aus der Kapelle. Paul erhob sich von den Stufen des Alters, auf denen er gekniet hatte. Die elende Schwäche hinderte ihn daran, Josepha nachzulaufen. Langsam, Schritt für Schritt, tappte er zum Ausgang der Kapelle. Draußen war es noch immer dunkel. Ein Schimmer des Morgengrauens verfärbte den östlichen Himmel.
    Von Josepha war keine Spur zu sehen.
    „Josy!“ schrie Paul. „Josepha!“
    Sepha – Sepha – Sepha – hallte es wider. Wie konnte hier im Dorf so ein Echo entstehen? Ein teuflisches Kichern folgte dem Widerhall. Ein Kichern so voller Bosheit, daß sich Pauls Nackenhaare sträubten.
    „Ist da jemand?“
    Mand – Mand – Mand. Wieder das Echo. War es am Ende nur in Pauls Kopf vorhanden? Schwankend ging Paul durch die verlassenen Straßen und die engen Gassen. Jeder Schritt fiel ihm schwer. Eine bleierne Müdigkeit lag ihm in allen Gliedern.
    Dann sah er den Gasthof ‚Zur Letzten Einkehr’ vor sich. Vielleicht war Josepha wieder auf dem Zimmer.
    Die Tür zur Gaststube stand offen. Paul ging durch die Gaststube und schleppte sich die Treppe hoch. Er mußte sich am Geländer festhalten.
    Zimmer 14 war leer. Keine Josepha.
    Das Bett zog Paul fast magisch an, doch er zwang sich, Josephas Sachen im Schrank zu durchsuchen. Er wollte den roten Rock und die weiße Bluse finden, die sie bei ihrer letzten Begegnung im Zimmer 14 getragen hatte. Da Josepha in der Kapelle wieder die andern Sachen trug, mußten diese Kleidungsstücke hier irgendwo sein.
    Paul hatte sie nie zuvor an Josepha gesehen. Sie paßten auch gar nicht zu der geschmackvollen modernen Garderobe seiner Frau. Bei Josephas Sachen waren der rote Rock und die weiße Bluse nicht. Er fand sie nirgends.
    Sollte Josepha sie sich irgendwo ausgeliehen haben? Von der schwarzhaarigen Frau vielleicht, an deren Haus sie geklopft hatten? Fragen über Fragen. Und kein Sinn in dem Ganzen. Nur Rätsel und Schrecken, immer wieder.
    Vor Pauls Augen drehte sich alles. Er war völlig erschöpft. Angezogen wie er war, fiel er quer übers Bett und schlief augenblicklich ein. Und wieder begann der schreckliche Traum.
     

     

Der Söldner stand auf der Henkersplattform. Er trug nur eine enge, scharlachrote Hose. Sein breiter, muskulöser Oberkörper war nackt. Die Hände auf das lange, schwere Beidhandschwert gestützt, stand er neben dem Richtblock und sah dem Henkerskarren entgegen.
    Hinter dem Henker, dem Mann, der als Hauptmann unter Tilly im kaiserlichen Heer gedient hatte und den sie den Söldner nannten, warteten die

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