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054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
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stillstehen zu lassen. Diesen Plan auszuklügeln, war viel schwieriger.“
    Eine schreckliche Ahnung erfaßte Albert.
    „Welchen Plan?“ fragte er.
    Wieder kicherte die Alte. Es war ein dämonisches Kichern, aus dem abgrundtiefe Bosheit und höllischer Triumph sprachen.
    „Ich sah in die Zukunft und wußte, wie dein ältester Sohn reagieren würde. Ein paar Gerüchte, einige kleine Zaubereien, das Mädchen bei Vollmond behext und aus dem Haus gelockt, und so nahm es seinen Lauf.“
    „Warum, Alte, warum?“
    „Weißt du das nicht, Henker? Einen schönen Gruß von Josepha.
    Sie wartet bereits auf deinen Ältesten.“
    „Nein, nein, laßt ihn! Nehmt mich! Nehmt mich!“
    Die Hexe kreischte vor Vergnügen über Alberts Verzweiflung und Qual. Sie ritt auf ihrem Besen davon, jagte durch die Luft, und die Nacht verschluckte sie.
    Albert brach noch in der gleichen Nacht auf. Doch als er zum Hafen kam, erfuhr er, daß George um zehn Uhr abends in See gestochen war. Erst drei Wochen später konnte Albert mit einem Segler nach England übersetzen. Von dort reiste er nach Deutschland weiter.
    Als er ein Jahr später nach Boston zu seiner Familie zurückkehrte, erkannten sie ihn zunächst nicht. Albert Warringer war ein Greis geworden. Er ging gebeugt, sein Haar war schlohweiß, seine Augen erloschen. Er sagte, daß George tot sei, doch wie er sein Ende gefunden hatte, darüber sprach er nie. So wenig wie über jene alte Geschichte, die all das Unheil heraufbeschworen hatte.
     

     
    Josepha ging durch die Straßen. Bei Tag sah der Ort viel freundlicher aus, nicht so unheimlich und düster wie in der vergangenen Nacht. Die kleinen, putzigen Fachwerkhäuschen wirkten anheimelnd. Es war, als drängten sie sich zusammen.
    Josepha trällerte ein Liedchen vor sich hin. Sie sah auf die Uhr. Fünfzig Minuten waren um. Sie hatte gar nicht gemerkt, wie schnell die Zeit vergangen war. Sie ging zurück.
    Aber seltsam, die Straße sah jetzt ganz anders aus. Die Häuser kamen ihr fremd vor. War sie wirklich hier gegangen? Der Ort war angelegt wie ein Irrgarten. Schon wieder war Josepha in die Irre gegangen, wie am Abend zuvor mit Paul. Sie fand den Gasthof nicht.
    Es war niemand auf der Straße, den Josepha hätte fragen können. Doch als sie um die Ecke bog, sah sie ein Kind. Es spielte in einer schmutzigen Pfütze, ließ Schiffchen schwimmen und war ganz in sein Spiel versunken. Josepha trat zu ihm hin.
    „Nun, mein Kleiner“, sagte sie freundlich, „du weißt doch sicher, wo der Gasthof ist.“
    Das Kind sah auf. Wenn es eine wilde Bestie erblickt hätte, wäre es nicht mehr erschrocken. Angst und Entsetzen standen in den blauen Kinderaugen.
    Der Junge stand zitternd auf, wich Schritt für Schritt vor Josepha zurück. Dann drehte er sich um, stieß einen Angstschrei aus und lief davon.
    Kopfschüttelnd stand Josepha da. Was waren das nur für Eltern, die ihre Kinder so erzogen, daß sie vor jedem fremden Gesicht Angst hatten? Ärgerlich ging Josepha weiter.
    Sie erreichte die letzten Häuser. Knapp dahinter begann der Wald. Ein schmaler Pfad führte hinein. Plötzlich interessierte es Josepha ungeheuer, wohin dieser Pfad führte. Sie ging darauf zu. Paul hatte sie für den Augenblick vollkommen vergessen.
    Josepha trat in den Schatten der Bäume. Das dichte Laubdach ließ keinen Sonnenstrahl durch. Es war düster im Wald. Zudem herrschte eine unheimliche Stille. Kein Vogel sang, keine Biene summte zwischen den weißen Blumen, die zu beiden Seiten des Pfades wuchsen.
    Als treibe eine fremde Macht sie an, ging Josepha immer weiter in den dunklen Wald hinein. Plötzlich stand sie auf einer Waldwiese. Ein modriger Dunst lag in der Luft. Das Gras wirkte fahl und bläulich. Keine Blume wuchs auf der Wiese. Nur in der Mitte, bei dem dunklen, verwitterten Findlingsblock, bildete ein Kreis gelber Blumen einen sogenannten Hexenring.
    Inmitten dieses Ringes stand eine kahle, verdorrte Eiche. Ihr Stamm war gespalten und an der Seite schwärzlich verfärbt. Ein Blitzschlag mußte den Baum vernichtet haben.
    Josepha fröstelte. Ob man hier die Leiche jenes Paul Warringer gefunden hat, dachte sie. Sie wollte umkehren, diesen Ort verlassen, der ihr unheimlich war.
    Doch da kamen zwischen den Bäumen plötzlich Nebel hervor, schwebten über die Lichtung. Josepha stand wie gebannt. Sie sah die Nebelschwaden wogen, sich verformen. Sie bildeten einmal menschenähnliche Figuren, dann wieder Tiergestalten. Sie schwebten, hüpften, kreisten und

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