054 - Josephas Henker
ein Hexenzauber wirksam sein?“
Der ältere Mann zuckte zusammen.
„Das haben Sie gesagt, nicht ich. Wir können nichts für Sie tun, Warringer. Wir können Ihnen nicht einmal irgend etwas erzählen, was für Sie von Wichtigkeit wäre. Gott schütze Sie!“
Die andern in der Gaststube nickten beifällig. Paul sah, daß sie Angst hatten. Es war sicher kein Vergnügen, in einem Ort zu leben, in dem solche Dinge vorgingen.
Er wandte sich um und verließ den Raum.
Paul durchsuchte den ganzen Ort, Straße um Straße, Gasse um Gasse. Er ging sogar bis zum Waldrand. Doch Josepha fand er nirgends.
Wo konnte sie sein? Wen kannte sie im Ort? Die schwarzhaarige schöne Frau fiel Paul ein, die Josepha am vergangenen Abend so herzlich begrüßt hatte. Vielleicht war Josepha bei ihr, oder sie wußte etwas über ihren Verbleib. Es war die letzte Möglichkeit.
Paul machte sich auf den Weg zum Haus der Frau. Es dämmerte bereits. Paul hatte Mühe, die Häuser auseinanderzuhalten. Doch dann sah er eines, das er für das der schwarzhaarigen Frau hielt. Er klopfte.
Sofort, als habe sie hinter der Tür gestanden, öffnete die Schwarzhaarige. Sie trug ein dunkles, mit Pailletten besticktes Kleid, wie Paul es auf alten Bildern gesehen hatte.
„Komm herein, Paul“, sagte die Frau. „Josepha wartet schon auf dich.“
Paul war unendlich erleichtert.
„Sie ist also hier?“
„Natürlich ist sie hier. Wo sollte sie denn sonst sein?“
Die schwarzhaarige Frau führte Paul durch den Korridor. Er folgte ihr. Die Fremde öffnete eine Tür. In einem altertümlich eingerichteten Schlafzimmer, dessen Mittelpunkt ein mächtiges, von einem Baldachin überdecktes Bett war, stand Josepha. Paul trat ein. Die schöne schwarzhaarige Frau schloß leise die Tür hinter ihm.
Josepha trug wieder den roten Rock und die weiße Bluse. Ihr Gesicht war bleich. Es bildete einen starken Kontrast zu den roten Haaren und den grünen Augen. Josephas Augen funkelten Paul an wie zwei Smaragde im Sonnenlicht. Langsam kam sie auf Paul zu.
Er wich zurück. Sein letzter Traum fiel ihm ein. Plötzlich empfand er eine entsetzliche Angst vor dieser Frau, eine Angst, wie er sie noch vor keinem Menschen gehabt hatte.
Josepha lächelte ihn an. Das strahlende Funkeln ihrer Augen wurde noch intensiver und Paul vergaß … vergaß … Was war es eigentlich gewesen, was ihm solche Angst eingeflößt hatte? Was hätte er denn geträumt? Wozu denn sich sorgen, Josepha war doch da, und am nächsten Tag würden sie den Ort verlassen.
„Komm, mein Geliebter“, sagte Josepha sanft. „Es ist unsere letzte Nacht. Bei Tagesanbruch …“
Sie umarmte Paul und küßte ihn leidenschaftlich. Ihre Lippen waren heiß wie im Fieber. Sie zog ihn aufs Bett. Ihre Hände entkleideten ihn, glitten über seinen Körper. Mechanisch streifte Paul ihr die Kleider ab. Sie wand sich leidenschaftlich unter ihm.
„Nimm mich, Geliebter“, flüsterte sie. „Wir haben so wenig Zeit.“
Wieder begann jenes wilde, ausschweifende Liebesspiel. Paul war ein starker, kräftiger Mann, aber Josepha war wie verrückt. Irgendwann drehte Paul sich erschöpft zur Seite und schlief ein. Josepha betrachtete den Schlafenden. Ihre grünen Augen funkelten wie die einer Katze. Und wieder träumte Paul.
Warringer wußte, daß er nichts taugte und daß er wenig Aussicht hatte, Esther Souza für sich zu gewinnen. Wer war er schon? Der Verwalter einer der Faktoreien, die Don Esteban Diego Souza, dem Vater Esthers, gehörten. Don Esteban, der Statthalter des Königs von Portugal in Cabinda, war sich nicht zu schade, in mehreren Faktoreien Neger an die Sklavenhändler zu verkaufen. Doch niemals hätte er sich mit einem der Männer, die für ihn die schmutzige Arbeit taten, an einen Tisch gesetzt, geschweige denn ihn als Bewerber um seine Tochter geduldet.
Die schöne, glutäugige Esther sollte zumindest einen Grafen heiraten und im Mutterland Portugal selbst leben statt im mörderischen Klima der Tropen. Diese Breitengrade waren nichts für Weiße. Sie bekamen die Malaria und hundert andere Krankheiten in dem heißen Klima der afrikanischen Westküste unweit der Kongomündung. Sie verfielen dem Suff oder holten sich eine Krankheit bei den Eingeborenenweibern. Nach ein paar Jahren waren die meisten zu nichts mehr zu gebrauchen. Strandgut, menschliche Wracks. Nur in Ungnade gefallene Verwaltungsbeamte wie Don Esteban Diego Souza, Abenteurer wie Rodrigo de Caboza und Männer, die man besser nicht nach
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