054 - Josephas Henker
ihrer Vergangenheit fragte, wie Sidney Warringer, kamen hierher.
Warringer war das schwarze Schaf einer angesehenen Neu-England-Familie. Nach einer Affäre mit einer verheirateten Frau, deren Ehemann er dann im Duell tötete, hatte Warringer Philadelphia verlassen müssen. Er zog westwärts, doch das harte Leben der Pioniere war nicht nach seinem Geschmack. Eine Zeitlang schlug er sich mehr schlecht als recht als Trapper durch. Dann stieß er zu den Piraten, die den Golf von Mexiko und die Karibische See unsicher machten.
Als sein Schiff im Geschützfeuer der Spanier sank, konnte nur Warringer entkommen. Einige seiner Kameraden wurden von den Spaniern aus der See gefischt. Sie baumelten wenig später an den Rahen. Warringer hütete sich, die Aufmerksamkeit durch Rufen oder Winken auf sich zu lenken. Wie tot lag er auf Schiffsplanken, die ein kleines Floß bildeten.
Die spanische Silberflotte entschwand seinen Blicken. Drei Tage und drei Nächte trieb Warringer in der von Haifischen wimmelnden Karibischen See. Ohne Wasser und Proviant, verwundet, dem Wahnsinn nahe. Dann wurde er vom Ausguck eines Seglers gesichtet. Es war ein Sklavenschiff, einer jener Segler, die Negersklaven von Afrika nach Amerika brachten. Der Kapitän konnte einen zusätzlichen Mann in der Mannschaft gut gebrauchen.
So kam Warringer Ende 1783 nach Afrika. Sein unbändiger, aufbrausender Charakter war ein Herd ständiger Unruhe in der Mannschaft des Sklavenschiffes gewesen. Warringer wurde auf der Überfahrt zweimal ausgepeitscht und einmal gekielholt. Wenn der Kapitän nicht jede Hand an Bord gebraucht hätte, dann wäre Warringer mit Sicherheit über die Planke gegangen.
In Cabinda, dem Hauptumschlagsplatz für Sklaven an der Westküste, desertierte Warringer von dem Sklavenschiff.
„Mit dem hat der Teufel noch allerhand vor“, sagte der Kapitän, als er es erfuhr. „Morgen hätte er an der Rahe gebaumelt, der Meuterer und Aufwiegler.“
Warringer trat in die Dienste des portugiesischen Statthalters Don Esteban Diego Souza. Durch seine Härte und Skrupellosigkeit machte er schnell Karriere. Als eines Nachts Hunderte von Negern aus den Sklavenpferchen ausbrachen, rettete Warringer den Statthalter im letzten Augenblick. Im Kampfgetümmel verlor er das linke Auge durch einen Machetenhieb, konnte jedoch mit dem Statthalter in den Dschungel entkommen.
Zwei Tage später kam eine Strafexpedition. Die Ausbrecher waren längst im Urwald verschwunden und nicht mehr aufzufinden. Warringer und der Statthalter kamen aus ihrem Versteck. Dank seiner Roßnatur überlebte Warringer seine Verletzung und die Behandlung des trunksüchtigen Wundarztes. Seitdem trug Warringer eine schwarze Augenklappe über dem linken Auge. Sie verschönerte sein wildes, von Ausschweifungen und einem wüsten Leben gezeichnetes Gesicht nicht.
Warringer war groß, breitschultrig und schwarzlockig. Er fürchtete weder Gott noch den Teufel, hielt wenig von seinen Mitmenschen. Er war ein unerschrockener, wilder Kerl, hemmungslos, jähzornig. Er konnte an keiner Frau vorübergehen. Er trank mehr, als für ihn gut war. Im Jahre 1784 war er dreißig geworden.
Don Esteban Diego Souza machte Warringer zum Aufseher der wiederaufgebauten Faktorei. Warringer verstärkte die Sicherheitsmaßnahmen. Bei dem geringsten Ungehorsam und dem kleinsten Zeichen von Unruhe ging er mit unerbittlicher Härte vor. Eine Schreckensnacht wie die nach dem Ausbruch der Neger damals sollte sich bei ihm nicht wiederholen.
Warringer lebte mit zwei jungen Basutofrauen in seiner Hütte, der größten in der Faktorei. Die Faktorei lag zwanzig Meilen von Cabinda entfernt an der Kongomündung. Warringer war sein eigener Herr. Bei seinen Untergebenen, zwölf Soldaten und zwanzig Aufsehern, war er verhaßt. Die beiden Basutofrauen, Naomi und Kikala, fürchteten seinen Jähzorn, wenn er getrunken hatte.
Vielleicht hätten eines Tages das heiße Klima und der Alkohol auch Warringers robuste Natur ruiniert, vielleicht wäre er an Malaria oder einer der anderen Urwaldkrankheiten gestorben. Auf jeden Fall hatte er nicht vor, die Faktorei zu verlassen, denn er war mit seinem Leben recht zufrieden.
Doch dann sah er bei einem seiner monatlichen Besuche in Cabinda Esther Souza, Don Diegos Tochter, und es war um ihn geschehen. Esther Souza war ein großes, schlankes, schwarzhaariges Mädchen mit glutvollen Augen und einem silberhellen Lachen. Sie war achtzehn Jahre alt, eine voll erblühte Schönheit. Jeder der weißen
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