Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
054 - Josephas Henker

054 - Josephas Henker

Titel: 054 - Josephas Henker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Earl Warren
Vom Netzwerk:
behauptet sie, daß sie unschuldig sei. Wir können sie zu keinem Geständnis bringen. Auch die Hexenproben sind erfolglos geblieben.“
    In diesem Moment öffnete das Mädchen die Augen.
    „Ich bin unschuldig“, hauchte sie. „Ich bin keine Hexe. Gott verzeihe euch, was ihr mir antut.“
    „Sie lästert Gott“, stieß Habakuk Dumphrie hervor. „Welche Hexenprobe sollen wir noch anwenden, um dieses verstockte Geschöpf von seinem Dämon zu befreien?“
    „Eine weiß ich noch“, sagte Albert. „Eine unfehlbare Hexenprobe aus meiner Heimat.“
    So kam es, daß eine halbe Stunde später Heather auf eben jener Brücke stand, auf der sie nach Aussage der alten Alice Cox den Schwarzen Mann getroffen hatte. Zwei Schergen mußten sie stützen, denn sie konnte nicht allein stehen. Nebel zogen über den Fluß.
    Die Initiatoren der Hexenjagd, Jonathan Cochran, Habakuk Dumphrie, Francis O. Garfield und David Warren waren anwesend. Ferner der Gerichtsschreiber und sechs Schergen. Eine kleine Gruppe von Zuschauern hatte sich versammelt. Die Schergen hielten George fest. Albert stand bei ihm, redete auf ihn ein.
    „Gleich wirst du sehen, daß sie eine Hexe ist. Die Probe, die ich vorschlug, ist unfehlbar. Ich sage dir, Heather wird mit dem Amboß an den Füßen auf dem Wasser schwimmen.“
    Ein Scherge trat gegen den Amboß auf der Mauerbrüstung der Brücke. Er sauste in die Tiefe, riß das Mädchen mit. Das Wasser spritzte auf. Heather wurde von dem zentnerschweren Amboß auf den Grund des Flusses gerissen.
    Georges Schrei verhallte. Luftblasen stiegen aus dem dunklen Wasser auf. Kreisförmige Wellen verbreiteten sich um die Stelle, an der Heather eingetaucht war, verliefen zitternd. Atemlos warteten die Zuschauer.
    Nichts geschah.
    Nach zehn Minuten sprangen Schwimmer in den Fluß. Bis sie die Ketten gelöst hatten, die Heathers Fußfesseln mit dem Amboß verbanden, vergingen weitere zwanzig Minuten. Dann brachten sie die Leiche an Land.
    Heather war ertrunken, wie jeder normale Mensch ertrinken muß, wenn er mit einem Amboß beschwert ins Wasser geworfen wird.
    George wurde freigelassen. Albert irrte durch die Straßen, fassungslos. Erst gegen Mitternacht kam er nach Hause. Seinen ältesten Sohn fand er dort nicht mehr. Sarah, seine Frau, gab ihm tränenüberströmt einen Brief. Albert ging in sein Arbeitszimmer, öffnete den Brief und las.
    Da stand in großen, zittrigen Schriftzügen, die die Erregung des Schreibers verrieten.
     
     ‚ Albert Warringer, denn Vater will ich Dich nicht mehr nennen, ich verlasse dieses Haus für immer. Du bist schuld an Heathers Tod, als hättest Du sie mit eigener Hand ins Wasser gestoßen. Da sie die andern Proben bestand, hätte sie freigesprochen werden können, doch Du hast diese schreckliche Hexenprobe vorgeschlagen, die ihr keine Möglichkeit ließ. Gott verzeihe Dir, ich kann es nicht. Es ist das zweitemal in Deinem Leben, daß Du solche Schuld auf Dich lädst. Schon einmal, in Deutschland, hast Du eine Frau getötet, die angeblich eine Hexe war. Du hast mir außer gestern im Gefängnis nie Näheres über diese Sache erzählt. Doch was ich weiß, genügt mir. Heather war eine Waise, sie möge in Frieden ruhen. Doch an den Angehörigen jener unglücklichen Frau, die Du damals vor dreiundzwanzig Jahren in
    Deutschland gemordet hast, will ich die Schuld abgelten, die auf uns Warringers lastet. Ich werde in das Dorf zurückkehren, aus dem Du stammst, und mit Geld und ‚ Arbeit, mit Rat und Tat Sühne leisten bei den Angehörigen jener Frau, die Du damals getötet hast. Mich wirst Du nie wiedersehen. George.
     
    Albert starrte auf den Brief. Er glaubte, einen Zweck zu sehen, ein Muster. Aber wo und wie?
    Es klopfte am Fenster. Albert Warringer sah hinaus, doch da war nichts. Er wandte sich ab. Da pochte es wieder. Er öffnete das Fenster.
    Er hörte ein Kichern, daß ihn ein Schauer überlief und seine Nackenhaare sich sträubten. Im bleichen Licht des Vollmonds sah er die bucklige Alice Cox, die am Tag zuvor tot vor ihm auf dem Boden des Wohnraums im Erdgeschoß gelegen hatte. Sie ritt auf einem Besen. Ihr häßliches, zerfurchtes Gesicht war zu einer schrecklichen Grimasse verzogen.
    „Guten Abend, Henker“, krächzte sie. „Ihr habt die Falsche geschunden und der Hexenprobe unterzogen. Ich war für all die Dinge verantwortlich, die Heather zugeschrieben wurden. Oh, was war es einfach, gestern diese Komödie zu spielen. Ein kleiner Zauber, um mein Herz eine Weile

Weitere Kostenlose Bücher