0542 - Die Stunde des Zentauren
so düster wie die auf der Nachtseite.
Merkosh hob einen flachen elektronischen Feldstecher an die Augen und spähte hinüber.
„Die Pförtnerianer müssen eine verdrehte Mentalität haben", erklärte er und reichte das Fernglas nach hinten. „Sehen Sie sich die Terrassen an, Baiton. Auf den meisten stehen komische Porzellanfiguren."
Der Telekinet blickte hinüber.
„Tatsächlich!" sagte er verwundert. „Die Figuren sehen aus wie riesige Enten." Er runzelte die Stirn. „Früher sollen viele Terraner einem Gartenzwerg-Kult gehuldigt haben. Ob das hier das pförtnersche Äquivalent dazu ist?"
Takvorian sagte gar nichts dazu. Er trabte gelassen weiter.
Nach einigen Minuten durchquerte er ein Waldstück. Die Bäume sahen aus wie eine Kreuzung von terranischen Baumfarnen und riesigen gelben Rüben.
Als er den Wald wieder verließ, stoppte er unwillkürlich. Vor ihnen lag in einer ovalen, ungefähr fünfzig Meter tiefen Bodensenke ein Raumhafen. Im wesentlichen bestand er aus einer etwa fünf Kilometer durchmessenden Stahlplastikfläche und den Projektoren für energetische Startund Landegerüste sowie einem kegelförmigen Kontrollbunker. Er schien nur gelegentlich benutzt zu werden, denn zur Zeit lag kein einziges Schiff darauf, und es gab auch niemanden, der auf dem Raumhafen arbeitete.
„Da steht wieder so eine Nippesfigur", sagte Wyt und zeigte auf eine übermannsgroße, blaßgrüne Statue am Rand des Raumhafens, die entfernt wie eine terranische Ente aussah, der man den aufrechten Gang beigebracht hatte.
Der Zentaur zuckte zusammen.
„Das ist keine Statue", flüsterte er. „Sie hat sich um mindestens fünf Zentimeter bewegt, seit ich sie ansehe. Haltet euch fest!"
Er trabte wieder los, wurde schneller und umkreiste die „Ente" schließlich mit relativ großer Geschwindigkeit.
Baiton hielt sich am Schulterkreuzgurt Merkoshs fest und schaute gebannt auf das fremde Lebewesen. Er wußte, warum Takvorian sich so schnell bewegte: damit der Fremde sie nicht sah. Wenn seine Bewegungsabläufe um das Sechzigfache verlangsamt waren, konnte er von ihnen bestenfalls einen dahinhuschenden Schemen wahrnehmen.
Das Lebewesen sah tatsächlich entfernt wie eine terranische Ente aus, aber es gab doch erhebliche Unterschiede. Das begann schon mit der Körpergröße. Aufgerichtet maß dieses Lebewesen sicher dreieinhalb Meter. Der Rumpf war blaßgrün und grobporig und wies haarfeine Rudimente eines Federkleides auf. das die fernen Vorfahren einmal getragen hatten. Er stand auf vier Beinen: auf kurzen stämmigen Hinterbeinen und etwa fünfmal so langen dünner Vorderbeinen. Beide Beinpaare saßen an dem verdickten Hinterteil des Rumpfes, und alle vier Füße besaßen dreizehige Füße mit Schwimmhäuten. Rudimentäre, lächerlich klein wirkende Flügel erhärteten den Eindruck, daß dieses Wesen der Abkömmling von Schwimmvögeln war.
Am interessantesten fand Baiton den keilförmigen, etwa dreißig Zentimeter hohen und fünfzig Zentimeter langen Kopf mit einem stumpfen Hornmund, der noch deutlich schnabelartige Form zeigte. Die seitlich am Kopf sitzenden tomatengroßen Augen verrieten, daß die Vorfahren dieses Exemplars pflanzenfressende Fluchttiere gewesen waren.
Das Lebewesen war zivilisiert, was der schwarze formlose Umhang bewies, aus dem dicht unterhalb des Halses aus zwei Öffnungen lange und muskulöse Arme mit vierfing-rigen Händen ragten.
„Jetzt könnten wir einen Telepathen gebrauchen", sagte Wyt, „Mich würde interessieren, was dieses skurrile Lebewesen denkt."
„Ein skurriles Lebewesen", überlegte Takvorian. „Warum nennen wir diese .Enten nicht einfach Skurrils?"
„Na, ich weiß nicht", gab Merkosh zu bedenken. „Das Wort .Skurril bedeutet soviel wie possenhaft. Aber wissen wir denn, ob es tatsächlich possenhaft ist, dieses Wesen!"
„Was spielt das für eine Rolle!" erwiderte Baiton Wyt. „Es wirkt possenhaft, und das genügt. Man nennt Sie ja auch allgemein ,den Gläsernen ,obwohl Sie nicht wirklich aus Glas sind."
Der Zentaur lachte und vollführte einen Satz.
Baitons Hände glitten jäh von Merkosh ab. Der Telekinet stürzte. Mit Hilfe seiner Parafähigkeit konnte er sich allerdings dicht über dem Boden abfangen.
Doch im nächsten Augenblick war er aus Takvorians Rothyer-Feld geglitten. Er kämpfte mit den Kräften seines mutierten Gehirns gegen die Ablaufhemmung an, konnte aber nicht verhindern, daß sich seine individuellen Bewegungsabläufe denen des einzelnen Skurrils
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