0542 - Die Stunde des Zentauren
dahin kaum erkennbaren Mundbewegungen schlagartig schneller.
„... fühle mich so wohl wie nie...", sagte er noch, bevor ihm die Veränderung bewußt wurde.
„Erschrecken Sie nicht", sagte Takvorian. „Ich habe Sie in mein Rothyer-Feld einbezogen. Dadurch wird die Ablaufhemmung kompensiert, so daß unsere Bewegungsabläufe jetzt wieder im Normaltempo erfolgen. - Aber Sie haben Ihren Satz nicht beendet..."
Wyt blinzelte, dann lächelte er.
„Ich wollte zu Kosum sagen, daß ich mich so wohl wie nie zuvor fühlte und daß ein verlangsamter Bewegungsablauf eigentlich ein gutes Mittel gegen die weitverbreiteten Streßerkrankungen ist."
„Sie übersehen, daß alles relativ ist, Wyt", entgegnete der Zentaur. „Bitte, bleiben Sie dicht neben mir. Wir gehen jetzt zusammen zu Merkosh, und Sie werden den Gläsernen auf meinen Rücken heben. Dann sitzen Sie selbst auf."
Wyts Augen leuchteten auf.
„Verstehe. Sie wollen einen kleinen Ausflug mit Merkosh und mir unternehmen."
„Wenn möglich, ja", gab Takvorian zurück.
Merkoshs „Erweckung" bereitete keinerlei Schwierigkeiten.
Nachdem der Zentaur erklärt hatte, worum es ging, ließ er sich von Wyt auf Takvorians Rücken heben.
Der Telekinet führte das „Pferd" am Zügel zum Antigravschacht und überprüfte die Anlage.
„Einwandfrei", erklärte er verwundert.
„Was hatten Sie gedacht?" fragte Takvorian. „Es spielt doch in einer ablaufgehemmten Umwelt keine Rolle, wenn die Maschinen eines Raumschiffes um den gleichen Faktor langsamer arbeiten als sonst."
Er stieg in den Schacht und schwebte hinunter. Baiton Wyt mußte sich beeilen, um nicht zurückzubleiben und aus dem Rothyer-Feld zu geraten. Unten angekommen, öffnete er die Bodenschleuse, führte den Zentauren nach draußen und schwang sich dann auf den Rücken hinter Merkosh.
Dann fiel ihm etwas auf.
„Sie haben ja gar keine Aggregattaschen übergeschnallt, Takvorian!" rief er. „Merkosh und ich konnten Sie zwar mitnehmen, wenn wir mit Hilfe unserer Fluggeräte zum Schluchtrand steigen, aber falls wir einmal getrennt werden sollten ...!"
Takvorian wedelte erheitert mit dem langen ockergelben Schweif.
„Erstens würden Ihre Bewegungen sich dann derart verlangsamen, daß ich Sie bald wieder eingeholt hätte -und zweitens halte ich es für klüger, auf die Benutzung von Aggregaten zu verzichten, deren Energie-Emissionen vom Gegner angemessen werden können. Ich bin kräftig genug, um Sie beide weite Strecken zu tragen."
„Aber nicht hier hinauf", stellte der Gläserne sachlich fest und deutete nach oben. „Sie sind leider kein Flügelroß."
Der Zentaur stieg vorsichtig über einen Wall aus Trümmergestein und nickte mit dem Pferdekopf.
„Sie haben recht, Merkosh. Aber von hier unten führt ein natürlicher Stollen nach draußen. Ich habe ihn bei der Landung entdeckt. Dort ist er." Er deutete mit dem Kopf.
Baiton pfiff anerkennend. Sie hatten den Steinwall überstiegen, auf der anderen Seite senkte sich der Boden leicht nach der Schluchtwand zu - und in der Wand war eine hohe Öffnung zu sehen, aus der ein schwacher Schein hellblauen Lichts fiel. „Der Stollen ist sogar beleuchtet", flüsterte er. „Meine Anerkennung, wackeres Roß."
„Es handelt sich nicht um künstliches Licht", erwiderte Takvorian ärgerlich, „sondern um das Leuchten eines kristallinen Minerals."
Er trabte los - und etwa eine Minute später tauchte er in den unregelmäßig geformten Felsstollen ein ...
4.
Dicht vor der äußeren Mündung des Stollens hielt Takvorian an.
Baiton blickte nach draußen. Etwa tausend Meter unter ihnen lag eine weite grüne Ebene, an mehreren Stellen unterbrochen durch hochaufragende hellgraue Bauten.
Er dachte an den Ritt durch den Stollen zurück. Wie der Zentaur gesagt hatte, stammte das hellblaue Leuchten von faustbis kopfgroßen wasserblauen Kristallen, die in den Fels eingebettet waren. Sonderbar war nur, daß die Kristalle sich nur im Stollen fanden und nirgendwo sonst, weder an den Außenwänden noch auf dem Boden der Felsschlucht.
Der Telekinet befühlte seine Materialtasche, in der er einen faustgroßen Kristall untergebracht hatte. Dann runzelte er die Stirn.
„Die Bewohner der Städte unterliegen der Ablaufhemmung wahrscheinlich auch", sinnierte er. „Und beinahe hätte ich diese Welt beim Anblick der Ebene für ein Paradies gehalten."
„Innerhalb des Schwarms gibt es sicher kein einziges Paradies", erwiderte Merkosh.
„Es gibt nirgendwo ein Paradies",
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