0545 - Der teuflische Engel
Blick wurde skeptisch. »Was meinen Sie dazu, Mr. Sinclair?«
»Ich habe nichts dagegen.«
»Soll ich jetzt gehen und packen?«
»Wir bringen Sie nach Hause, Wendy.«
Die junge Verkäuferin lächelte erleichtert. Tief in ihrem Innern steckte sehr wohl die Furcht.
Ich ging noch einmal zurück in den Duschraum. Nach wie vor standen dort die Steine.
Mein Blick glitt hindurch. Ich sah die Gesichter der drei jungen Männer. Starr und tot, bläulich schimmernd. Waren sie wirklich gestorben, oder warteten sie auf ihre Freilassung.
Suko stellte sich neben mich. Er legte mir die Hand auf die Schulter. »Was denkst du, John?«
»Das ist doch klar. Es kommt etwas auf uns zu, Alter. Und nicht zu knapp.« Ich hob die Schultern. »Dabei habe ich eigentlich damit gerechnet, daß Atlantis vorbei ist.«
»Du weißt doch, irren ist menschlich.«
»Leider.«
Da Suko die Eingangstür nicht geschlossen hatte, vernahmen wir von draußen die Anfahrt der Wagen.
Zusammen mit Wendy Lakeman verließen wir die Turnhalle, um die Kollegen einzuweisen.
***
Die Frau stand auf der Schwelle und schaute in den Raum hinein, in dem praktisch nur zwei Möbelstücke standen. Eine viereckige, leicht angestaubte Truhe und in der Ecke ein Schemel.
Was überhaupt nicht in das Zimmer hineinpaßte, war der leere Rahmen, der auf dem Boden lag. Er war noch nicht lange leer. Kyra Benson erinnerte sich daran, daß er noch vor zwei Tagen einen Spiegel beinhaltet hatte, der zwar aussah wie ein normaler Spiegel, jedoch keiner war, da er in Wirklichkeit den Zugang zu einer anderen Welt, dem Jenseits darstellte.
So hatte es offiziell geheißen, und so hatte auch Luke Benson, ihr verstorbener Mann den Weg benutzt. Für die Öffentlichkeit war er gestorben, für wenige Eingeweihte jedoch nicht. Dazu hatte auch Kyra, seine Gattin gehört.
Als Toter hatte er sie jeden Abend besucht. Es war ihm gelungen, das Jenseits durch den Spiegel zu verlassen, und er hatte die Frau von einer Person bekommen, die damals im längst versunkenen Atlantis als Architektin lebte.
Sie war die Spur, die Verbindung in die Vergangenheit gewesen.
Allerdings nicht für Kyra Benson. Sie kannte nicht einmal den Namen dieser Person.
Kyra hatte sich nie getraut, das Gespenst, das einmal ihr Mann gewesen war, danach zu fragen. Sie hatte keine Zusammenhänge wissen wollen. Darüber ärgerte die Frau sich jetzt. Luke mußte es tatsächlich gelungen sein, in eine Materie einzusteigen, über die nur wenige etwas wußten. Es war auch nichts darüber geschrieben worden. Atlantis – Himmel, das gehörte in eine Zeit, die mindestens 10.000 Jahre zurücklag, die aber auch Blütezeiten und Hochkulturen erlebt hatte wie die Ägypter und andere nachfolgende Völker.
Atlantis war ein Mythos, ein Rätsel. Trotzdem ein Land, das existiert hatte.
Kyra wischte über ihre Augen. Ähnlich wie sie dachten auch dieser Oberinspektor Sinclair und sein Kollege Suko. Den beiden Männern war es gelungen, den Bann zu brechen und Luke endgültig zu vernichten, worüber Kyra im Nachhinein sehr froh war.
Trotzdem standen viele Fragen offen. Fragen, auf die Antworten gefunden werden mußten. Und Kyra wartete praktisch darauf, daß sich John Sinclair wieder um den Fall kümmerte. Die Architektin aus Atlantis, die ein großes Wissen besessen hatte, war auch für Sinclair und seinen Kollegen sehr wichtig.
Die beiden hatten versprochen, sich um diese geheimnisvolle Architektin zu kümmern. Sie wollten ihren Namen erfahren und herausbekommen, woher sie genau kam und welch eine Macht sie besaß. Nur konnte Kyra Benson ihnen nicht mit Fakten dienen, weil Luke ihr einfach zu wenig über seine Forschungen berichtet hatte.
Sie lächelte, als sie an Sinclair dachte. Er war ein Mann, der auch ihr gefallen könnte, obwohl Kyra, das gab sie selbst zu, vom figürlichen her nicht jedermanns Geschmack war.
Kräftig gebaut, nicht einmal ohne Reiz, aber vom Idealmaß war sie doch ziemlich weit entfernt. Allerdings, wer besaß so etwas schon?
Nur sehr wenige Menschen, erst recht keine Mannequins, die oft als lebende Kleiderständer umherliefen und ihre Rückenknochen als Garderobehaken hergeben konnten.
Man konnte Kyra als füllig ansehen und ebenso ihre schwarze Haarflut.
Sie trug gern lange, weitgeschnittene Kleider, die mit ihren Säumen bis auf die Knöchel reichten und bei jedem Schritt, den sie ging, ins Fließen gerieten.
Die sommerliche Wärme hatte sich über London gehalten. Manchmal stach die Sonne zu stark. Hin
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