0547 - Der Vampir-Gnom
hatte ich in die rechte Tasche gesteckt, fühlte nach, weil ich einen bestimmten Verdacht bekommen hatte. Den sah ich auch bestätigt.
Das Kreuz hatte sich erwärmt…
Scharf holte ich Luft. Mein Vater hatte das Geräusch gehört und drehte sein Gesicht zu mir.
»Es lauert etwas«, sagte ich leise. »Das Kreuz zeigt es an.«
»Magie?«
»Natürlich.«
»Und wo?«
Ich deutete nach vorn. »Irgendwo dort, wo sich der Nebel oder Qualm verdichtet hat.«
»Du hast mir einmal von einem Todesnebel erzählt, John. Kann es sein, daß er…«
»Nein, das glaube ich nicht. Dieser Nebel ist anders, heller irgendwie. Er scheint eine besondere Zusammensetzung zu besitzen.«
Die ersten Schwaden trieben uns entgegen. Sie waren wie lange Gardinen, die sich am Untergrund festgeklammert hatten. Dabei schimmerten sie sehr hell, nicht so grau wie der normale Nebel.
Plötzlich hielt ich den Rollstuhl zurück. Es mochte Zufall gewesen sein, vielleicht auch ein Windstoß, aber die hellen Wolken trieben an einer Stelle auseinander, so daß ein Loch entstehen konnte, durch das wir freie Sicht besaßen.
Was wir sahen, ließ uns den Atem stocken, denn unsere Blicke waren auf einen alten Friedhof gefallen…
***
»Das gibt es doch nicht«, ächzte Manford. »Das darf doch nicht wahr sein, zum Teufel.«
»Wieso? Kannten Sie ihn nicht?«
»Nein, Sinclair, nein!« Er rückte auf seinem Sitz nach vorn, als wollte er aufstehen. »Dieser Friedhof war und ist mir völlig unbekannt. Grabsteine«, flüsterte er, »wo kommen sie her? Was hat das alles zu bedeuten? Horace, weißt du es?«
»Keine Ahnung, Brod.«
»Aber vielleicht ich, Mr. Manford. Haben Sie nicht selbst erzählt, daß Ihnen nicht bekannt ist, wo Ihre verschwundenen Ahnen geblieben sind? Es gibt nur diese Möglichkeit. Sie müssen ihre Plätze auf dem alten Friedhof gefunden haben.«
»Die Grabsteine… wo … kommen sie her? Wer hat sie aufgestellt?«
»Ist vor langer Zeit hier etwas gewesen?«
»Ja, ein Friedhof. Aber das liegt schon Jahrhunderte zurück.«
»Dann haben wir ja die Erklärung.«
»Und Friedhöfe sind auch Plätze für Vampire«, erklärte mein Vater mit leiser Stimme.
»Trotz der Grabkreuze?«
»Wissen Sie, Mr. Manford, Vampire fürchten sich vor Kreuzen. Allerdings nur, wenn sie geweiht sind. Man kann sie zwar auch mit einem normalen Kreuz in die Flucht schlagen, doch wenn sie Blut riechen, kommen sie wieder, auch wenn die Person durch ein Kreuz geschützt ist. Wenn Sie sich die Grabkreuze einmal genau anschauen, so sehen deren Umrisse anders aus als die der Kreuze, die wir kennen.«
»Stimmt auch wieder. Die sind irgendwie abgerundet, habe ich das Gefühl. Oder es liegt am Nebel.«
»Nein, nein, Sie haben schon richtig geschaut.«
»Ich will hin!« sagte er und nickte. »Ich will sofort hin. Ich will zwischen die Gräber. Auf der Stelle!«
Das wollten wir auch! Mein Vater wandte sich mir zu, um etwas zu sagen, als sich die Ereignisse überstürzten.
Es begann mit einem hellen Schrei. Er klang schrill und voller Angst. Dabei war er dort aufgebrandet, wo sich der Nebel und auch der alte Friedhof befand.
»Lisa…!« keuchte Manford.
Ich war schon unterwegs!
***
In den alten Sagen und Legenden verwandeln sich Vampire in Fledermäuse und umgekehrt.
Als Zumbra sprang und sich sein Umhang dabei ausbreitete, hatte Lisa Manford den Eindruck, als würde sich eine Fledermaus auf sie zubewegen. Ein unheimlich breiter Schatten, der schnell, viel zu schnell näher kam, als daß sie ihm hätte ausweichen können.
In ihrer Panik machte sie aus der Not eine Tugend. Sie wunderte sich selbst darüber, woher sie den Mut nahm und den Blutsauger kurzerhand ansprang.
Beide prallten zusammen.
Die junge Frau hatte die Fäuste hochgerissen. Beide Hände rammte sie unter das Kinn des Blutsaugers, in der Hoffnung, seine Eckzähne auch noch zerstören zu können.
Es gelang ihr nicht. Aber sie bekam einen Aufschub. Der Blutsauger flog zurück und prallte mit dem Rücken gegen einen der kantigen Grabsteine. Auch sein Hinterkopf prallte dagegen. Lisa hörte noch dieses widerlich klingende Geräusch, nur sah sie keinen Erfolg. Vampire wurden nicht bewußtlos.
Zumbra schüttelte sich. Sein Gesicht veränderte sich ebenfalls dabei. Aus ihm wurde eine breitgezogene Fratze. Er heulte auf, seine Arme wurden länger und länger, als er sich abstieß und auf Lisa zuhechtete.
Sie drehte sich.
Krallen erwischten noch den Kleiderstoff, rutschten ab, so daß Lisa
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