0547 - Die Sonne warf keinen Schatten
kleinen Lichtung, die der Dschungel aus unerfindlichen Gründen ausgespart hatte. Vor ihm, mit dem Rücken zu Ellsmere und Pollack, saß ein Mann. Soweit Ellsmere erkennen konnte, trug er dieselbe Art von Kleidung wie die Frau, die in der vorvergangenen Nacht vor Hollingsworth durch die Ruinen von Point Chuin geflüchtet war - eine alte, zerfetzte Flottenmontur. Der Mann kauerte auf den Hacken, und der Zweck des Feuers war, ein kleines, hasenähnliches Stück Wild, das der Fremde an einem primitiven Spieß über den Flammen drehte, in einen eßbaren Braten zu verwandeln.
Ellsmere musterte die Umgebung. Der Fluß hatte beachtliche Gefälle und erzeugte ein ständiges Rauschen, das das Geräusch ihrer Annäherung, wenn sie sich nur vorsichtig verhielten, verschlucken würde. Trotzdem nahm er den Blaster zur Hand.
Die Ereignisse des vergangenen Tages hatten ihm klargemacht, daß diese Welt ihre Tücken besaß. Er gab Pollack einen Wink, dann schlichen sie weiter auf das Feuer zu.
Im Geist überflog Ellsmere die Bilder der Leute aus Hung-Chuins Gruppe. Der Mann vor ihnen war höchstens mittelgroß und schmalschultrig. Er hatte einen kräftig entwickelten Schädel mit einem stark ausgeprägten Hinterkopf. Die Haarfarbe war braun. Diese Beschreibung paßte auf ein halbes Dutzend von Chuins Männern, aber am ehesten entsprach ihr Terenz Hall, ein Paraphysiker und, wie alle Leute in Chuins Begleitung, eine anerkannte Koryphäe auf seinem Sachgebiet.
Sie mochten noch dreißig Meter von dem Feuer entfernt sein, da stand der Mann plötzlich auf und legte seinen Bratspieß auf einen Stein, so daß der Braten nicht mit dem Boden in Berührung kam. Als Ellsmere die dünnen, knochigen Beine zu sehen bekam, an denen die Knie groteske, knotenartige Auswüchse bildeten, war er noch sicherer als zuvor, daß er Dr.
Hall vor sich hatte.
Der Wissenschaftler wandte sich plötzlich um. Ellsmere und Pollack erstarrten mitten in der Bewegung, und der Major ließ ein wenig schuldbewußt die Hand mit der schußbereiten Waffe sinken.
Dr. Hall grinste das unbefangene Grinsen eines Blöden.
„Oh!" machte er. „Und ich dachte schon, ich müßte mein Mittagessen ganz alleine verzehren."
Inzwischen hatte Hollingsworths Shift den unübersichtlichsten Teil des Geländes hinter sich zurückgelassen und bewegte sich mit größter Geschwindigkeit südwärts. Dann kam Ellsmeres Anruf und die Beschreibung des Anflugs auf das einsame Feuer im Dschungel.
Als der Empfänger verstummte, seufzte Elisa Kainchen hörbar auf.
„Was gibt's?" erkundigte sich Holli.
„Ich habe Hunger!" erklärte Elisa.
Elisa war kaum mehr als anderthalb Meter groß, dafür jedoch annähernd ebenso breit. Ihre Körperfülle schien anzudeuten, daß sie niemals Bedenken gehabt hatte, ihr Eßbedürfnis auf dem schnellsten Weg zu befriedigen.
„Das ist das dritte Mal heute morgen, daß Sie Hunger haben", wies Hollingsworth sie ab."
„Das ist richtig. Und habe ich bis jetzt was Anständiges zwischen die Zähne bekommen?"
„Drei Frühstücksrationen", antwortete Holli. „Eine für jeden Hunger."
„Das nennen Sie anständig?"
Elisa war sichtlich entrüstet.
„Vielleicht geben Sie mir mal Ihre Definition von anständig", schlug Holli vor.
„Na schön. Ich dachte mir ein lauschiges Plätzchen am Waldrand, duftendes Gras, Sonnenschein und einen ganzen Korb voller guter Sachen. Auch eine Flasche Wein ..."
Hollingsworth unterbrach sie lachend.
„Sie hätten bei den Wandervögeln aktiv werden sollen. Da gibt's so was. Bis auf den Wein."
Elisa ließ sich nicht beirren.
„Ich dachte, wir hätten Zeit dazu. Wir kommen jetzt gut voran, und es hat keinen Zweck, vor Major Ellsmere im Zielgebiet einzutreffen."
Holli musterte die Landschaft in der Tiefe.
„Wissen Sie was?" meinte er. „Ihre Idee ist womöglich gar nicht so schlecht. Von diesem Plateau dort unten müßten wir eine recht gute Aussicht haben. Die Zeit ist also nicht ganz verschwendet. Gehen Sie tiefer!"
Elisa strahlte.
„Ich wußte, daß Sie ein gutes Herz haben! Sie sind überhaupt einer der angenehmsten Offiziere, die mir bis jetzt begegnet sind."
Hollingsworth schaute sie mißtrauisch an. Das fehlte noch, daß Elisa Kainchen anfing, ihm große Augen zu machen. Welches auch immer Elisas Absichten sein mochten, im Augenblick war sie definitiv mit der Aussicht auf die Stillung ihres Hungers beschäftigt. Sie landete den Shift am steil abfallenden Südrand eines Plateaus, von dem der Blick weit
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