0549 - Des Teufels Traum
gar nicht wirklich mitbekommen. Doch im gleichen Moment, als sie sich nicht mehr im kleinen Salon befanden, schritten sie schon durch eine unwirkliche Welt ihrem Ziel entgegen.
Baton Rouge… Angelique Cascal…
Die Welt, durch die sie gingen, war nichts anderes als ein Korridor. Nicht sonderlich breit, aber auch in seiner Länge nicht abzuschätzen. Anfang und Ende dieses Korridors verbargen sich in nebelhaftem Grau.
Es war eine eigene Welt mit eigenen Naturgesetzen. Gesetze, die vom Träumer diktiert wurden, von Julian Peters.
Der Entfernungsmaßstab stimmte nicht mit dem der realen Welt überein. Hier genügten ein paar Dutzend Schritte, um die Tausende von Kilometern zurückzulegen, die das Château Montagne im Loire-Tal von Baton Rouge in Louisiana, am Golf von Mexiko, trennten.
Eine im wahrsten Sinne des Wortes traumhafte Art der Fortbewegung, dachte Zamorra. Da kommen wir selbst mit den Regenbogenblumen nicht mit. Die müssen erstens am Zielort vorhanden sein und zweitens von uns erreicht werden können, während Julian seine Traumbrücken einfach dort entstehen läßt, wo er sie benötigt…
Jeden Moment mußten sie an ihrem Ziel ankommen.
Doch plötzlich befand sich eine vierte Person in Julians Traum.
Sie trat den drei Menschen in den Weg.
Julian und die anderen stoppten.
»Shirona«, murmelte Zamorra verblüfft.
***
Yves Cascal erstarrte.
Je näher er der Wohnung kam, desto stärker war die Unruhe in ihm gewesen, die ihm sagte, irgend etwas würde nicht stimmen. Vor Sams Kneipe sah er jede Menge Polizei, der er vorsichtshalber aus dem Weg ging. An Angelique dachte er in diesem Augenblick nicht; es war noch nicht die Zeit, in der sie bei Sam arbeitete - und was sonst hätte sie jetzt dort tun wollen?
Er ging weiter, ohne nachzufragen, was geschehen war. Irgend etwas trieb ihn an, ohne daß er sich dessen bewußt wurde.
Vor dem Haus debattierten einige Leute, etliche von ihnen Jugendliche, die arbeitslos waren wie Ombre selbst und die mit ihrer Freizeit wenig anzufangen wußten. Sie redeten von einer merkwürdig kostümierten Gestalt, die angeblich wie der Teufel aussah und die ein Mädchen wie einen Mehlsack auf der Schulter getragen haben sollte.
Und dieses Mädchen hatte ihren Angaben nach wie Angelique ausgesehen!
Das alarmierte Yves.
Die Polizei hatte niemand gerufen. Ganz einfach darum, weil man das in dieser Gegend nicht tat. Gab es Probleme, regelte man die intern. Deshalb boten ein paar Leute Yves auch gleich ihre Unterstützung an, wenn es darum ging, diesem Verrückten eine Lektion zu erteilen, der sich als Teuf eichen kostümiert hatte, obwohl die Karnevals-Zeit längst vorüber war. In dieser Gestalt konnte er zudem mit dem berüchtigten Baron Samedi herzlich wenig zu tun haben - andernfalls hätte man sich dezent zurückgezogen, weil der Voodoo-Kult hier in Baton Rouge ebenso Blüten trieb wie in anderen Südküstenstaaten der USA.
Aber Baron Samedi sah eben anders aus als der Gottseibeiuns der Christen.
Wesentlich unauffälliger und ästhetischer.
Man konnte ihm die Ehre erweisen, ohne gleich als Teufelsdiener verschrien zu werden.
Yves erwies weder dem einen noch dem anderen die Ehre. Er ahnte plötzlich, daß sein Gefühl ihn nicht umsonst alarmiert hatte.
Nur war er anscheinend trotzdem zu spät gekommen.
Hatte der Teufel sich schon in seiner Wohnung eingenistet? Konnte er überhaupt noch etwas tun?
Und was war mit Angelique passiert? Was wollte das teuflische Ungeheuer von ihr?
Er zweifelte keine Sekunde daran, daß es wirklich ein Dämon war, der aus Höllen-Tiefen stammte. Er zweifelte auch nicht daran, daß es etwas mit dem verfluchten Amulett zu tun hatte, das er so gern endgültig losgeworden wäre. Er wollte doch nur seine Ruhe haben…
Allerdings ließ ihm die keiner. Weder die Dunkelmächte noch jener Professor und Dämonenjäger aus Frankreich, der immer wieder auftauchte und sich in das Leben der Cascals mischte.
Vorsichtig betrat Yves das Haus.
Die Wohnungstür war zerstört.
Er hörte Stimmen, er hörte böses Fauchen und Brüllen, er hörte Angelique -und er hörte Maurice in schmerzvoller Todesangst schreien - und dann verstummen.
Und dann sah er den geflügelten Dämon mit der dunkelrot glühenden Haut!
Zu spät begriff er, daß er sich leichtfertig in dessen Hand begeben hatte. Denn der Dämon sah auch ihn!
Und er besaß keine Waffe gegen den Teufel aus den Höllen-Tiefen. Er hatte das Amulett Maurice gegeben - und Maurice war tot
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