055 - Labyrinth des Todes
gebührend zu schätzen.«
»Sie meinen, daß diese Gesellschaft für mich veranstaltet wurde?«
»Was nahmen Sie denn an?« fragte er verwundert. »Kommen Sie mit!«
Er packte mich am Arm, und ein kalter Schauer rann durch meinen Körper.
»Sie sind unser Ehrengast.«
Wir gingen durch die Halle. Immer wieder blieb er vor einigen Kunstgegenständen stehen.
»Sehen Sie da!« sagte er mit erregter Stimme. »Ein Turmhaus. Das ist eine Grabbeigabe. Besteht …« Mich interessierten seine Erklärungen wenig, doch ich konnte seiner Gesellschaft nicht entfliehen; seine Ausstrahlung war zu stark. Ich folgte ihm.
Wir kamen an einer Gruppe vorbei, die ihr Gespräch abbrach. Sie lächelten, nickten mir zu und sagten wie aus einem Mund: »Guten Abend, Mr. Hunter!«
Mein Unbehagen wuchs. Wir schritten auf eine Tür zu, die offenstand. Der dahinterliegende Saal war rechteckig. Ein blutroter Teppich bedeckte den Boden, die Wände waren rotschwarz gestreift. Einige flackernde Fackeln verbreiteten ein düsteres unheimliches Licht. Der Raum war leer, bis auf einen schwarzen Marmortisch, um den kunstvoll Lilien arrangiert waren.
Bacon ließ mich einfach stehen, als eine hochgewachsene Frau auf uns zukam. Sie hatte ihr flammendrotes Haar aufgesteckt. Ein dicker Zopf fiel über ihre linke Schulter und schlängelte sich wie eine Schlange zwischen ihren hohen Brüsten. Sie trug ein bodenlanges schwarzes Kleid, das sich eng um ihren Oberkörper schmiegte. Ihre Schultern waren nackt, und ich konnte mehr als die Ansätze ihres Busens sehen. Ihr Gesicht mit den schräggestellten, bernsteinfarbenen Augen hatte etwas Raubtierhaftes. Der Duft ihres Parfüms schwebte wie eine Wolke um ihren Körper und legte sich schwer auf meine Lungen.
Sie blieb vor mir stehen und lächelte.
»Ich wollte dich schon lange einmal kennenlernen, Dorian«, sagte sie, und ihre tiefe Stimme jagte mir wohlige Schauer den Rücken hinunter.
Sie bewegte sich mit der natürlichen Anmut eines Tigers und strahlte eine umwerfende Sinnlichkeit aus. Mein Herz schlug schneller, als sie ihre schlanken Hände auf meine Schultern legte.
»Ich bin glücklich, daß ich als Gefährtin für dich ausgewählt wurde.«
Dann waren ihre Lippen auf den meinen, und ihr Körper drängte sich ungestüm an mich. Ich glaubte, in einen Vulkan zu fallen, so glühend waren ihre Küsse.
Nach wenigen Augenblicken löste sie sich aus meiner Umarmung. Ich griff nach ihr, doch sie wich lächelnd einen Schritt zurück.
»Später«, sagte sie, und ihre Stimme war ein einziges Locken.
Einen kurzen Moment lang konnte ich wieder klar denken. Ich war in eine Falle gegangen. Rasch griff ich in die Rocktasche und holte ein Amulett heraus.
Die rothaarige Frau trat einen Schritt zurück, doch sie erschrak nicht. Statt dessen leuchteten ihre Augen plötzlich, und das Amulett zerschmolz zu einem formlosen Gebilde.
Ich ließ es fallen und griff nochmals in meine Taschen. Alle meine Dämonenbanner waren zu unförmigen Klumpen geschmolzen.
Jetzt war ich überzeugt, daß die Schwarze Familie alle Kräfte gegen mich mobilisiert hatte. Ich stand ohne Waffen da, von Dämonen umgeben.
Ohnmächtige Wut stieg in mir auf. Ich warf der Rothaarigen einen haßerfüllten Blick zu, doch sie lächelte nur spöttisch.
»Schade«, sagte sie fast unhörbar, »daß ich nur als deine Gefährtin ausgewählt wurde. Viel lieber würde ich dich …«
Sie öffnete den Mund, und ich sah das starke Raubtiergebiß. Und plötzlich war ihr Gesicht mit dunkelroten Haaren bedeckt, und ihre Hände wurden zu Krallen. Die Verwandlung dauerte nur wenige Sekunden, dann sah sie wieder wie vorher aus.
»Komm mit, Dorian!« sagte sie und griff nach meinem Arm.
Ich wollte ihn abschütteln, war aber zu schwach dazu; ich befand mich im Bann der Dämonen. Gelegentlich ließen sie mich für wenige Augenblicke aus ihrem Machtbereich entwischen, um mich aber sofort wieder zu packen.
Ich drehte mich um, und vor mir stand ein Mann, den ich sofort erkannte. Es war Georg Zamis, einer von Cocos Brüdern. Er war ein Stück kleiner als ich. Sein Gesicht war durchschnittlich, sein Haar schwarz. Er grinste böse.
»Ich bin extra aus Wien gekommen, Mr. Hunter«, sagte Georg Zamis, »um an Ihrer Totenfeier teilzunehmen. Ich wünsche Ihnen einen angenehmen Tod und ein schönes Begräbnis.«
Mein Hals war trocken, als ich weiterging, aber die Überraschungen waren noch nicht zu Ende. Drei Männer wandten sich mir zu. Ich kannte alle drei. Es waren
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