055 - Louba der Spieler
genannt ›Charlie‹, etwa 1,70 Meter groß, schmächtig. Er trug einen dunkelbraunen Anzug und einen beigen Mantel, dazu einen braunen Hut, schwarze Lackschuhe, gelbe Handschuhe und einen grauen Seidenschal. Alter ungefähr 32. Die Hautfarbe ist dunkel, der Mann geht etwas vornübergebeugt und hat eine heisere Stimme.
Um drei Uhr morgens kamen noch weitere Beamte der Mordkommission, die Inspektor Trainor halfen. Um fünf Uhr erschien der übermüdete Distriktsarzt, der nach kurzer Untersuchung die Überführung des Toten ins Leichenhaus anordnete.
Trainor, der die ganze Nacht damit beschäftigt gewesen war, die Papiere des Ermordeten zu sichten, übergab nun die Aufsicht einem Unterbeamten und fuhr in die Edwards Street 903. Er läutete an der Haustür, und gleich darauf öffnete ihm eine müde aussehende junge Dame. »Sind Sie Miss Martin?« fragte Inspektor Trainor. »Ja«, antwortete Beryl.
»Ich bin Polizeiinspektor und möchte mit Ihnen sprechen — hier ist mein Ausweis.«
Es kam ihm so vor, als hielte sich die junge Dame nur mit Mühe aufrecht.
»Kommen Sie herein«, sagte Beryl schwach.
Sie drehte jetzt erst das Licht in der Diele an, und er bemerkte, daß sie einen weitärmeligen Morgenrock trug. Anscheinend war sie eben aus dem Bett aufgestanden . Aber sie mußte vollkommen wach gewesen sein, als er geläutet hatte. Die Schnelligkeit, mit der sie auf sein Klingeln hin die Tür geöffnet hatte, sprach dafür.
»Ich fürchte, ich habe eine schlechte Nachricht für Sie, Miss Martin«, sagte er, als sie ihn in das kleine Wohnzimmer geführt hatte.
»Betrifft es Mr. Louba?« fragte sie schnell.
Er nickte ernst.
»Ist er ...?«
»Er ist tot«, antwortete der Detektiv sachlich. »Ermordet.«
Sie stand von dem Stuhl auf, den sie sich an den Tisch herangezogen hatte, und starrte ihn stumm an.
»Tot!« wiederholte sie und legte die Hand vor die Augen. »Ist das wirklich wahr?«
»Es tut mir leid, Miss, aber es ist so, wie ich sage. Wann sahen Sie Mr. Louba das letzte Mal? Soviel ich weiß, sind Sie mit ihm verlobt?«
Sie stand da wie gelähmt. Erst nach einer Weile antwortete sie ihm mit gepreßter Stimme.
»Tot? Sind Sie sicher? Ja, ich bin mit Mr. Louba verlobt - das heißt, ich war es.«
»Kennen Sie diese Scheine?« Er nahm ein kleines Bündel Papiere aus der Tasche und legte sie auf den Tisch.
Sie nickte.
»Es sind Schuldscheine über eine sehr große Summe, Miss Martin. Würden Sie mir sagen, wie sie in Mr. Loubas Hände kamen?«
»Ich habe das Geld beim Bridgespielen verloren, und Mr. Louba legte es für mich aus«, erklärte sie stockend.
»War das, bevor Sie verlobt waren?«
Sie nickte wieder.
»Diese Schuldscheine sind doch der eigentliche Grund, warum Sie Loubas Antrag annahmen, wie?« fragte Trainor.
»Ja, ich glaube, so ähnlich war es wohl.«
»Wann hatten Sie die entscheidende Unterredung mit Mr. Louba, Miss Martin?«
Sie fuhr sich mit zitternder Hand über die Lippen.
»Gestern abend«, entgegnete sie, und der Schweiß trat ihr auf die Stirn.
»Sie waren vorher mit einem anderen Herrn verlobt, nicht wahr?«
»Nein, nein . das stimmt nicht«, erwiderte sie mit verzweifeltem Trotz.
»Ich dachte immer, Sie wären mit Mr. Leamington verlobt gewesen?«
»Wir waren befreundet und standen uns sehr nahe«, sagte sie. »Aber wir waren nicht - wir waren nicht verlobt.« »Wann verlobten Sie sich mit Mr. Louba?«
»Ich sagte es Ihnen doch schon, gestern abend!«
»Wann sahen Sie Mr. Leamington das letzte Mal?«
Eine lange Pause, in der Beryl krampfhaft nach einer Antwort suchte.
»Ebenfalls gestern abend«, sagte sie dann. »Er fuhr mich nach Hause.«
»Wußte Mr. Leamington, daß Sie Louba heiraten wollten?«
»Ja.«
»War er überrascht?«
Beryl schaute hilflos im Raum umher, als ob sie diesem Kreuzverhör entfliehen wolle.
»Ja, er war überrascht«, flüsterte sie.
»Sagten Sie ihm auch den Grund? Ich meine, erwähnten Sie die Schuldscheine?«
Er tippte auf das Bündel Papiere.
»Ich weiß es nicht mehr«, antwortete sie hastig. »Ich weiß es wirklich nicht mehr.«
»Hm, wurde Mr. Leamington nicht wütend? Sagte er etwas gegen Louba?«
»Kein einziges Wort, er war ganz ruhig«, beteuerte sie heftig.
»Das soll ich Ihnen glauben, Miss Martin?« Trainor ließ die Augen nicht von ihrem Gesicht. »Sahen Sie Mr. Leamington nicht noch einmal später — in der vergangenen Nacht?«
»Nein, nein! Ich schwöre Ihnen, daß ich ihn kein einziges Mal mehr sah.« »Wie
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