055 - Louba der Spieler
angenommen, daß Sie auch hinter ihm her seien?« setzte er aufgeregt hinzu.
»Nun, bis gestern abend waren wir tatsächlich hinter ihm her.«
Sir Harry wandte sich seinem Besucher mit der Miene einer beleidigten Fürstlichkeit zu.
»Haben Sie eigentlich die Ansicht, ich wüßte etwas über die ganze Angelegenheit? Sind Sie etwa nur dazu hergekommen, um mir eine Falle zu stellen und mich zu einer unklugen Aussage zu veranlassen?« fragte er. »Das würde ich als eine Unverschämtheit betrachten, Inspektor!«
Trainor hob die Hand.
»Langsam, langsam, Sir Harry«, mahnte er. »Ich komme gerade von Miss Martin, die mir seinerzeit verschiedene Dinge verschwieg — zuerst, um ihren Verlobten zu schützen, danach, um diesen Mr. Weldrake nicht in Schwierigkeiten zu bringen, also nicht etwa, weil sie selbst etwas mit dem Mord zu tun hatte, sondern weil sie ganz sicher zu wissen glaubte, daß die beiden anderen nichts damit zu tun hatten. So wäre es ganz gut möglich, daß auch Sie etwas, was Sie über Weldrake wissen, aus reiner Menschenfreundlichkeit verheimlicht hätten.«
»Ah ... nun ... hm — das hat was für sich«, gab Sir Harry besänftigt zu. »Aber ich weiß trotzdem nichts von diesem Mann. Was sagte er, weshalb er zu mir gekommen sei?«
»Er hat Ihren Namen tatsächlich nicht einmal erwähnt, Sir Harry. Er weigerte sich, uns zu sagen, daß er einen Mann namens da Costa besucht hatte, bis er wußte, daß wir diesen da Costa aus seinem Versteck herausgetrieben hatten. Und deshalb, wiederhole ich, war es möglich, daß Sie vielleicht ihm gegenüber dieselbe Rücksicht übten.«
»Nichtsdestoweniger sehr unangenehme Methoden, die Sie da anwenden«, erwiderte Sir Harry von oben herab. »Sagten Sie gerade, da Costa sei in die Sache verwickelt?«
»Ja, kennen Sie ihn?«
»Hm - dem Namen nach. Was hatte er denn damit zu tun?«
»Das wissen wir nicht«, sagte Trainor und stand auf. »Wir waren so geschickt, ihn heute morgen entkommen zu lassen.«
»Das heißt, er befindet sich in Freiheit, wie?«
»Bis jetzt noch. Hat Louba jemals von ihm gesprochen? Hat er jemals etwas davon gesagt, daß da Costa so nahe bei ihm wohnt?«
»Nicht eine Silbe«, erwiderte Sir Harry. »Denken Sie, daß er der Mörder sein könnte?«
Trainor zuckte die Schultern.
»Ich denke bald überhaupt nicht mehr«, murmelte er.
Er verließ das Haus mit gemischten Gefühlen; einesteils traute er Sir Harry in keiner Weise, andernteils bestand die Möglichkeit, daß sich Beryl in dem Haus geirrt hatte, aus dem sie Weldrake hatte herauskommen sehen. Vor allen Dingen wollte er nur noch hören, was Weldrake zu sagen haben würde.
Es war jetzt fünf Uhr nachmittags, und der Nebel lagerte schwerer denn je auf der Stadt. Leute huschten wie Schatten an Trainor vorüber.
Ungewiß, welche Richtung er einschlagen sollte, schaute er sich um. Ein Taxi war nirgends zu sehen. Also mußte er zur nächsten Bushaltestelle.
In diesem Augenblick ging ein korpulenter, großer Mann an ihm vorbei. Die Umrisse waren im Nebel nur verschwommen zu sehen, aber der massive Rücken fiel ihm sofort auf. Es war ein Mann ohne Mantel.
Zweifellos gab es in London noch mehr Menschen, die ohne Mantel herumliefen, aber keinesfalls wollte er eine Unterlassungssünde begehen. Vorsichtig schritt er hinterher.
Einige Meter weiter, vor Sir Marshleys Haus, machte der Mann halt. Trainor schmiegte sich an die Mauer und beobachtete ihn, wie er zögernd an Marshleys Haus hinaufschaute und dann weiterschlenderte. Um nicht entdeckt zu werden, durfte ihm der Detektiv nicht folgen, aber er behielt ihn im Auge. Nach einem forschenden Blick drehte der Mann wieder um und ging auf die Haustür Sir Marshleys zu. Einen Augenblick später öffnete sich die Tür, und er verschwand im Innern. Dort ging er aber nicht weiter bis zu der eigentlichen Eingangstür von Marshleys Wohnung, sondern fuhr nur schnell mit der Hand nach dem Briefkasten und der Klingel. Dann drehte er sich hastig wieder um und eilte zurück auf die Straße.
Trainor hatte mittlerweile den Eingang scharf im Auge behalten und verfolgte den Mann jetzt bis zur nächsten Ecke und dann bis zur Rückseite von Marshleys Haus. Hier zog sich ein kleines verstecktes Sträßchen entlang.
Der Inspektor war jetzt sicher, da Costa gefunden zu haben, aber er war entschlossen, diesmal nicht zu voreilig zu sein. In dieser Dunkelheit war es genauso leicht, ungesehen zu bleiben, wie sich da Costa sicher fühlen konnte, nicht beobachtet zu
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