055 - Louba der Spieler
müssen. Ich besaß ja den Zettel Loubas als Beweis dafür, daß er mir das Kästchen gern überließ. Nur ... ich ... ich ...«
Seine Aufregung war ihm deutlich anzusehen. Im Grunde genommen war er ein ausgesprochener Prahlhans - von Tapferkeit keine Spur.
»Wie konnten Sie immer ausgehen, da doch alles annahm, daß Sie in Südfrankreich seien?«
»Es war ganz einfach, nachts die Lieferantentreppe hinunterzuschleichen ... bis dann der Mord geschah. Von da ab durfte ich es nicht mehr wagen.«
Sir Harry benutzte die Pause, die folgte, um zu sagen: »Sehen Sie! Man kann doch gar keinen Zweifel in da Costas Unschuld setzen. Ist es da verwunderlich, daß ich ihm geglaubt habe?«
Er hütete sich allerdings hinzuzusetzen, daß da Costa ihn keineswegs so weit ins Vertrauen gezogen hatte.
»Wenigstens brauche ich Sie jetzt nicht mehr aufzufordern, uns zu begleiten, Sir Harry«, sagte Trainor und stand auf. »Obgleich wir uns fraglos wegen der genauen Zeit, zu der Sie da Costa an dem bewußten Abend besucht hat, an Sie wenden müssen.«
»Aber selbstverständlich — ich stehe Ihnen völlig zur Verfügung«, entgegnete er mit einem bedauernden Seitenblick auf da Costa.
Hätte er nur die genaue Zeit gewußt, zu der Louba ermordet wurde! Dann wäre es ihm ein leichtes gewesen, den Besitzer so wertvoller Gegenstände, wie dieses Perlenkästchens, freizubekommen und ihn sich für alle Zeiten zu verpflichten.
»Und ich ... muß ich wirklich mit Ihnen gehen?« fragte da Costa flehend.
»Ich fürchte — ja«, erwiderte Trainor. »Aber wenn Sie die Wahrheit gesagt haben, dann können Sie der weiteren Untersuchung mit Ruhe entgegensehen.«
»Ich werde Ihnen einen Mantel leihen«, ließ sich Sir Harry aus dem Hintergrund vernehmen.
Aus Trainors Verhalten dem Gefangenen gegenüber schloß er, daß er dies Anerbieten machen konnte, ohne sich etwas zu vergeben. Im großen ganzen hatte er sich sehr gut aus der Schlinge gezogen — besser, als er erwartet hatte.
Tatsächlich war Trainor beinahe überzeugt von der Wahrheit, oder wenigstens von der teilweisen Wahrheit der Geschichte, die da Costa erzählt hatte. Die ausgesprochene Feigheit dieses Mannes machte sie mehr als wahrscheinlich. Aber Loubas Tod war damit immer noch nicht aufgeklärt!
*
Als der Detektiv schließlich sein Büro in Scotland Yard erreicht hatte und eben begann, sich die Aussagen da Costas noch einmal zu überlegen, läutete das Telefon. Er nahm den Hörer ab. »Ist dort der Beamte, der die Mordsache Louba bearbeitet?«
»Jawohl«, sagte Trainor rasch.
»Hier Inspektor Welsh vom R-Bezirk. Wir haben soeben Charles Berry gefunden, den Mann, den Sie wegen des Mordes an Louba suchen.«
»Gefunden — wo?«
»Auf einem kleinen Pfad am Flußufer in Deptford; er ist tot — erschossen. Wahrscheinlich liegt Selbstmord vor, denn wir fanden .«
»Nun?« fragte Trainor, als der andere eine Pause machte.
»Wir fanden in seiner Tasche ein ausführliches Geständnis — es steht darin, daß er der Mann ist, der Emil Louba ermordet hat.«
28
Von Freitag nacht bis Dienstag früh lag der Nebel wie eine graue, dichte Decke über London. In der Nähe von Deptford war er vielleicht noch etwas dichter, denn der Fluß ist nicht weit entfernt von dem Ort. Es war ein Wetter, wie es sich Mr. Charles Berry nur wünschen konnte. Er brauchte dabei wenigstens keine Angst zu haben, entdeckt zu werden, wenn er etwas spazierenging.
Für seine Frau, die er die ganze Zeit mit seinen Befürchtungen und seinen Beschuldigungen gequält hatte, war dieser Aufenthalt in Deptford bis jetzt eine noch größere Anstrengung gewesen als die vorhergehenden Jahre. Als ihr Mann den Wirt jetzt davon überzeugt hatte, daß es bei diesem Wetter für ihn gefahrlos wäre auszugehen, atmete sie erleichtert auf. Wenigstens ein paar Stunden Ruhe.
Auch Charles Berry wollte allein sein. Er wollte sie nicht mehr sehen. Er haßte sie - hatte sie immer gehaßt, mit ihrem verschlossenen Wesen und der überlegenen Haltung, die sie ihm gegenüber stets einnahm.
Einmal, vor langer Zeit, als er sie noch sehr gern gehabt hatte, war er von ihr so verächtlich behandelt worden, daß die Erinnerung daran heute seinen Haß immer von neuem anspornte. Und ausgerechnet jetzt war sie an ihn gekettet, wo Unabhängigkeit für ihn doch so dringend notwendig war. Er verfluchte sie und sein Geschick, als er so im Nebel umherstolperte.
Captain Brown würde ihn festnehmen lassen - er sah den Richter vor sich, die
Weitere Kostenlose Bücher