0551 - Im Licht der schwarzen Sonne
alles anders.
***
Merlin stand da, hatte die Arme leicht angewinkelt und war in dieser Haltung erstarrt.
Nichts an ihm regte sich, nicht einmal ein Lidzucken konnte Zamorra wahrnehmen. Seine Augen glänzten und starrten in unendliche Fernen.
Siebzehn… achtzehn… neunzehn ..
Da merkte Zamorra, daß er die Sekunden zählte, beginnend in dem Moment, als Merlins Starre eintrat. Er hörte auf zu zählen und beobachtete nur noch.
Nur Merlin war erstarrt, die Umgebung nicht. Vögel zogen ihre Bahn am Himmel, von dem eine gelbweiße Sonne grell herabstrahlte, ohne dabei zu blenden, wenn man in ihr Licht sah.
Warum bewegte Merlin sich nicht?
Zamorra versuchte seine geistigen Schwingungen aufzufangen, doch diesmal versagten seine Para-Fähigkeiten.
Dachte Merlin nicht mehr?
Zamorra wandte den Kopf und sah in die Runde. Das Panorama änderte sich nicht. Nichts deutete darauf hin, daß Merlin seine gesamten magischen und physischen Kräfte darauf anwandte, eine Veränderung zu bewirken.
Oder?
War hier in dieser Dimension jenseits der schwarzen Zone des Grauens alles anders? Galten hier die normalen Naturgesetze nicht mehr?
In einer mehr unterbewußten Bewegung glitt Zamorras Hand über seine Stirn, strich die Haare zurück. Er wollte soeben auf Merlin zugehen, ihn berühren und versuchen, den Zauberer aus seiner Erstarrung zu reißen, als er das dumpfe Knurren vernahm.
Eine Raubkatze hinter ihm?
Das Knurren klang wie das eines Tigers. Mit dieser Sorte Katze hatte Zamorra schon zu tun gehabt, nur war er da nicht waffenlos gewesen wie jetzt.
Blitzartig fuhr er herum. Seine Reflexe funktionierten noch ausgezeichnet, stellte er befriedigt fest.
Doch der Urheber des Knurrens blieb unsichtbar. Das Geräusch wiederholte sich auch nicht. Dennoch ahnte der Parapsychologe, daß sich etwas Gefährliches in seiner Nähe befand. Er spürte förmlich die Blicke des unsichtbaren Wesens.
Warum rührte sich Merlin immer noch nicht?
Zamorras Nackenhaare richteten sich auf. Sein Körper wurde zur angespannten Stahlfeder. Wo war der Unsichtbare, der wie ein Tiger knurrte?
Wurde da nicht Gras flachgetreten?
Etwas zischte. Zamorra spürte einen Windzug, und im nächsten Moment krachte etwas gegen ihn und warf ihn zu Boden. Die vor Spannung angehaltene Luft wurde mit einem Stöhnlaut wieder aus seinen Lungen gepreßt. Hart prallte er auf dem Boden auf, fühlte, wie sich etwas in seinem Arm verbeißen wollte, und schlug mit der freien Hand wahllos zu.
Er traf etwas!
Wieder das Knurren und ein Jaulen. Noch einmal hieb er zu, spürte erneuten Widerstand und setzte nochmals nach. Die Kiefer lösten sich widerstrebend.
Und dann wurde das Raubtier sichtbar.
Eine schwarze Riesenkatze mit gelblichen Flecken lag auf Zamorra und wich jetzt widerwillig zurück. Offenbar hatte er mit seinen ungezielten Hieben eine empfindliche Stelle getroffen.
Die Raubkatze winselte leise. Sie gab ihn frei. Unfaßbar, dachte Zamorra. Das hätte er einmal mit einem Bengal-Tiger versuchen sollen. Dem einen Faustschlag zu verpassen und darauf zu warten, daß er zurückwich!
Er richtete sich auf, sah seinen Arm an und entdeckte Kratzspuren. Der Ärmel seines Burnus war restlos zerfetzt, und aus den nadelfeinen Einstichen, wo die Zähne des Gefleckten schon zugepackt hatten, sickerte etwas Blut.
Das Tier hatte jetzt seine Unsichtbarkeit vollständig verloren. Der große Kopf pendelte hin und her. Das Tier zeigte Unsicherheit, wich Schritt um Schritt zurück.
»Hau ab!« knurrte Zamorra. »Verschwinde! Ich schmecke nicht!«
Die Raubkatze schien ihn verstanden zu haben. Sie wandte sich um und verschwand in weiten Sprüngen, um dabei wieder unsichtbar zu werden.
Zamorra atmete tief durch. Das konnte doch nicht wahr sein! Hier stimmte etwas nicht. Kein normales Raubtier hätte seine Beute so einfach aufgegeben.
Er sah wieder auf seinen Arm.
Die Wunden hatten sich geschlossen!
Er sah Merlin an.
Der Zauberer hatte sich verändert. Seine Hautfarbe war kein samtener Bronzeton mehr wie zuvor, sondern wich mehr und mehr einem zarten Grün.
Zamorra trat jetzt zu ihm. Seine tastende Hand näherte sich dem Unsterblichen. Kurz zögerte er, als fürchtete er, einen elektrischen Schlag zu erhalten. Dann aber berührte er entschlossen die Hand Merlins.
Sie war hart wie Stein und kühl. Zu kühl, wenn man in Betracht zog, daß die weißgelbe Sonne ziemlich heiß vom grünen Himmel brannte.
Er tastete weiter. Auch der Stoff des Gewandes war steinhart und kalt.
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