0551 - Im Licht der schwarzen Sonne
zischte er dem Parapsychologen zu. »Nie mehr! Und ganz besonders nicht in diesem Universum! Oh, du ungläubiger Thomas, du ahnst ja gar nicht, was du mit deinen Gedanken alles zu bewirken vermagst! Zamorra, du kennst deine eigenen Kräfte noch nicht, hast dich niemals selbst richtig kennengelernt! Denke nie wieder, was du soeben dachtest, oder ich muß deine Gedanken blockieren, deine Erinnerung löschen! Denn eine höhere Macht gebietet über uns! Eine Macht, der auch ich mich beugen muß!«
Zamorra schwieg. Er sah zu Boden. Und zum erstenmal machte sich die Ahnung in ihm breit, daß selbst der mächtige Merlin nur ein kleines Rädchen in einem kosmosumspannenden Getriebe war.
Wie groß, wie umfassend mußte jene fremde Macht erst sein, welcher der unbesiegbare, mächtige Merlin so bedingungslos zu gehorchen hatte?
Und - wer verbarg sich hinter jener Macht?
Er unterdrückte seinen Gedankengang wieder. Seine Kehle war plötzlich wie ausgetrocknet. Die Zunge fuhr über trockene, spröde Lippen und vermochte sie nicht genügend anzufeuchten. Rauh klang seine Stimme, als er fragte:
»Und was wird nun geschehen, Merlin?«
Der Zauberer sah zum Himmel empor.
Zamorra folgte seiner Blickrichtung. Merlin sah direkt in die weißgelb gebliebene Sonne. Er streckte beide Arme weit aus und spreizte die Finger.
»Es werde Nacht!« hallte seine Stimme.
Und es wurde Nacht.
***
Von einem Augenblick zum anderen war der Tag zur Nacht geworden. Schwarz war der Himmel, an dem eine Unzahl silbrig funkelnder Sterne schimmerte. Immer noch standen die beiden Menschen - soweit Merlin überhaupt ein Mensch war - auf dem Flachdach des Turmes über der imaginären Stadt. Die weißgelbe Sonne war kleiner geworden, immer noch beherrschend, allerdings wirkte sie jetzt eher wie ein Mond.
Silberner Vollmond am Nachthimmel - wenn jetzt ein Vampir oder ein Werwolf kam… Zamorra verdrängte den Gedanken wieder und sah nicht, wie jene dunkle Gestalt hinter ihm, die er durch die Kraft seiner Gedanken ungewollt zu schaffen begonnen hatte, langsam zerflatterte und sich wieder auflöste.
»Sieh dir den Himmel an«, sagte Merlin. Seine Stimme klang, als käme sie aus den Ewigkeiten von Zeit und Raum. Geheimnisvoll, beherrschend. »Sieh die Sterne, die Galaxien, schau in die Weltraumtiefen dieses Universums. Und ich -ich werde einen Stern vom Himmel holen!«
Zamorra erschauerte unwillkürlich. Es war nicht der Inhalt der Worte allein, es war der Klang, der ihm höchste Ehrfurcht gebot, repräsentierte er doch eine Macht, wie Zamorra keine zweite kannte.
Ich werde einen Stern vom Himmel holen!
Merlins Worte hallten in ihm nach. Der Zauberer ließ einen Arm sinken, richtete den anderen auf einen ganz bestimmten Stern am Firmament. Als Zamorra näher hinsah, glaubte er, den Stern flackern zu sehen. Ein Pulsationsstern? Ein instabiler? Seine spärlichen astronomischen Kenntnisse reichten nicht aus, das Flackern des Sterns zu erklären.
»Es ist eine entartete Sonne«, hörte er Merlin dumpf murmeln. »Ein Stern, der kein Stern mehr ist, aber auch nichts anderes, der nur noch aus Zeit und Energie besteht!«
Funken tanzten auf Merlins ausgestreckter Hand. Kleine, bläulich glimmende Pünktchen, die hin und her zuckten, aufblitzten und langsam wieder verloschen. Ein bläuliches Lichtfeld baute sich um die Hand auf. Zamorra konnte nicht verhindern, daß ihm ein Schauer über den Rücken lief. Zu beeindruckend war die Vorstellung, die der Unsterbliche ihm hier lieferte.
Langsam baute sich ein Strahl auf, ebenfalls bläulich leuchtend, der von Merlins Hand ausging und zum Himmel emporstieg, immer länger wurde und genau auf den flackernden Stern deutete, den Merlin als entartete Sonne bezeichnet hatte.
Ein Stern, der kein Stern mehr ist!
Immer tiefer stieß der Strahl in den Weltraum vor, immer schneller und blieb dabei doch gleichmäßig deutlich zu sehen. Eine optische Verzerrung, die Zamorra unglaublich erschien, bis ihm einfiel, daß in dieser Dimension alle Existenz von seinem Willen gesteuert wurde, da er nur das sah, was er sehen wollte.
Im nächsten Moment sah er die Spitze des Strahls nicht mehr, die in Raumtiefen hinausgriff, um die entartete Sonne zu erreichen!
Sein Nachdenken darüber, ob der Strahl so weit draußen im Weltraum wirklich noch sichtbar sein konnte oder nicht, hatte seinen Blick auf normale optische Verhältnisse reduziert! Durch die perspektivische Verkleinerung in größter Entfernung war der Strahl jetzt nicht mehr
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