0554 - Kidnapper im Weltraum
ihre Kosten von Terrania eingeflogen worden.
Als das Sonnensystem von dem Schwarm eingefangen und mitgenommen wurde, änderte sich für Steiner und Dhor absolut nichts. Zwar erging die Aufforderung, alle Arbeiten einzustellen und mit dem Gleiter in den Bunker der Hauptstation zu kommen, aber die beiden Mineralogen ignorierten diese Empfehlung, die nur ihrer Sicherheit galt. Auch als der Angriff der fünftausend Schiffe erfolgte, verließen sie ihre kleine Station nicht. Sie fühlten sich hier sicher, und Steiner meinte: „Wer soll uns denn schon was tun? Wir sind nicht einmal bewaffnet, Shan. Wir haben nichts mit Krieg und derartigem Unsinn zu tun."
„Vergessen Sie nicht", warf Shan Dhor ernsthaft ein, „daß Sie eine Luftpistole besitzen, mit der Sie hin und wieder auf Gesteinsbrocken anzulegen pflegen. Der Gegner könnte das mißverstehen."
„Ach, hören Sie doch mit dem Unsinn auf!" hatte Steiner empört ausgerufen. „Eine Luftpistole ... pah!"
Er hatte sie vorsichtshalber im letzten Winkel seines Wohnhauses versteckt.
Von der Scheinschlacht im Weltraum bemerkten sie nichts, nur wurde der Funkverkehr zur Hauptstation immer schlechter, bis er schließlich ganz zum Erliegen kam. Das störte sie aber, nicht, denn sie besaßen Lebensmittel für viele Monate, und im Notfall stand ja noch der Gleiter im unterirdischen Hangar des Labors.
Sie arbeiteten weiter, als sei nichts geschehen.
An diesem Tag waren sie in das Nordtal eingedrungen, das ein nicht sehr großes Gebirge glatt in zwei Teile zerschnitt. Steiner war schon oft hier gewesen, und vermutete, daß das Tal durch den flachen Aufschlag eines großen Meteoriten entstanden war, als Thetys noch keine künstliche Atmosphäre hatte. Folglich mußte die unvorstellbare Hitze den Felsen auch verwandelt haben. Natürliche Diamanten waren immer noch billiger als die künstlichen, und manchmal waren sie sogar auch härter.
Zu Steiners heimlichem Ärger besaß sein Assistent eine gute Nase für derartige Funde. Als er nach Verlassen des Gleiters die Steilwände mit einem kurzen Blick gestreift hatte, deutete er auf eine Mulde direkt am nördlichen Talrand.
„Da!" sagte er. „Wenn sich das Zeug irgendwo gesammelt hat, dann dort in der Mulde."
Steiner widersprach: „Ganz im Gegenteil, mein lieber Snan. Genau auf der anderen Seite müßte es sein. Sehen wir dort zuerst nach."
„Es liegt aber in der Mulde!" sagte Shan Dhor hartnäckig. „Ich wette mit Ihnen um die Sonnenblume, die in Ihrem Garten steht."
Die Sonnenblume war Steiners ganzer Stolz. Niemals würde er sie aufs Spiel setzen, und Shan Dhor wußte das genau. Er wettete immer um diese Sonnenblume, wenn er seinen Willen diskret durchsetzen wollte.
„Gut", gab Steiner erwartungsgemäß nach. „Sehen wir zuerst in der Mulde nach und verzichten auf die Wette."
Nur wenige Dezimeter unter dem lockeren Fels und Gesteinsstaub fanden sie ein riesiges Lager großer Diamanten.
Der Meteor mußte an dieser Stelle gegen besonders harten Widerstand gestoßen, seine Richtung ein wenig geändert und eine unvorstellbare Hitze erzeugt haben.
Shan Dhor enthielt sich jeder Äußerung, die auf Genugtuung hätte schließen lassen.
„Na", sagte er leichthin, „da haben wir mal wieder einen guten Riecher gehabt."
Steiner nickte geistesabwesend.
„Ja, das haben wir, mein lieber Shan. Da können sie bald mit ihren Baggern kommen und das Zeug tonnenweise abbauen. Wir aber haben eine unserer vielen Theorien wieder einmal bewiesen. Sind wir nicht tüchtig?"
„Außerordentlich tüchtig. Machen wir Schluß für heute?"
Sie gruben noch ein wenig im Garten, dann zogen sie sich in das Wohnhaus zurück. Shan Dhor bereitete eine Mahlzeit, holte zur Feier des Tages ein paar Dosen Terra-Bier aus der Kühlkammer und ging dann auf Steiners Argumente ein.
Wie üblich kam es zu der obligatorischen Kontroverse.
Dann, urplötzlich und scheinbar ohne jeden Anlaß, verstummte Steiner und schaute in die Mitte des Zimmers, wobei er an Shan Dhor vorbeisah, der ihm gegenübersaß.
„Was ist denn, Steiner? Ihnen paßt wohl Ihre eigene Theorie nicht mehr? Verfolgen Sie doch mal meinen Gedanken, wenn Sie so gütig sein wollen, und geben Sie zu, daß..."
„Guten Abend", sagte hinter Shan Dhor eine helle und etwas piepsig klingende Stimme. „Ich hoffe, wir stören nicht."
Shan Dhor blieb reglos sitzen und drehte sich auch nicht um.
Er war sicher, die Haustür geschlossen zu haben, und ohne den positronischen Alarm auszulösen,
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