0555 - Verrat der Götter
Wochen in die Vergangenheit zu gehen und mit allen nur möglichen Mitteln zu versuchen, Lucifuge Rofocale zu töten, bevor er seinem Amulett-Wahn verfiel und schließlich jene magische Explosion hervorrief, deren Energie sich nun durch Raum und Zeit fortpflanzte…
Natürlich würde auch das ein Zeitparadoxon hervorrufen.
Aber nur ein kleines, weil es nur um wenige Wochen geht , versuchte ein winziger Teufel Zamorra einzureden.
Aber selbst ein so kleines Paradoxon konnte schon alles zum Zusammenbruch bringen.
Die Struktur war zu sehr geschwächt.
Außerdem wäre das ein logischer Fehler, mahnte der Wissensc haftler in ihm. Dieses augenscheinlieh zunächst nur kleine Paradoxon würde ebenso zur endgültigen Katastrophe führen. Denn Merlin und Sid Amos hatten Zamorra und Nicole ja auf diese Mission geschickt, weil sie die drohende Katastrophe errechnet hatten. Und zwar aufgrund der Fakten, zu denen auch die von Lucifuge Rofocale hervorgerufene Explosion gehörte. Verhinderten sie diese Explosion im nachhinein, hätten Merlins Berechnungen niemals zu diesem erschreckenden Ergebnis geführt, er hätte sie nicht mit dieser Mission beauftragt, die Explosion hätte doch stattgefunden, Merlin hätte die drohende Katastrophe dann aber doch vorher berechnet, und sie hätten die Explosion verhindert, was wieder dazu geführt hätte…
Nein, ein solches Paradoxon hätte nicht nur die Veränderung allen Seins hervorgerufen, sondern das Zeitgefüge endgültig gesprengt!
Nun, lange würde es so oder so nicht mehr dauern.
Er drang weiter vor. Keine Falle wartete auf ihn. Rechnete niemand damit, daß jemand hier eindringen könnte, um zu versuchen, einen der Gefangenen zu befreien? War die Gesellschaft von Sestempe in sich so sehr gefestigt? Oder waren die Herrschenden so mächtig, daß jeder allein schon vor dem Gedanken an eine Bestrafung erschauerte?
Er wußte es nicht.
Er kannte das Land Grex, er kannte einige Gegenden von Rhonacon… Was aber wußte er von Khysal? Praktisch nichts. Außerdem war er in den anderen Ländern zu anderen Zeiten gewesen, und in jeder dieser Epochen hatte sich ihm die Straße der Götter mit einem anderen Gesicht gezeigt.
Plötzlich verharrte er.
Da war ein großer Raum, in dem ein nicht unbedingt hellwacher Wächter wachte. Ein halbes Dutzend Männer war an zwei Wände gekettet, weitere Kettenplätze waren frei. Es gab jede Menge häßlicher Folterinstrumente, deren Zustand aufregen Gebrauch hindeutete.
Nur einer fehlte: Der Gnom…
***
Cali fand die Gittertür in der Mauer, die sie Zamorra beschrieben hatte, geöffnet vor. Er mußte also schon eingedrungen sein. Vor oder nach dem Moment, in dem Cantho und die anderen den Gnom fortbrachten?
Sie glitt durch die Tür, schlich auf Zehenspitzen zum Gebäude und dann durch die dort ebenfalls nur angelehnte Tür.
Sie sah es als ein Zeichen, daß Zamorra es zumindest bis hierhin geschafft hatte. Lautlos folgte sie ihm die Treppe hinab und durch die Gänge.
Sie war sich völlig sicher, daß sie dabei nicht beobachtet wurde…
***
Im ersten Moment glaubte Nicole, sich im falschen Zimmer zu befinden. Aber die Wegbeschreibung hierher stimmte. Und eine Menge kleiner Dinge deutete darauf hin, daß dieses Zimmer tatsächlich der Schlafraum des einzigen Sohns des Moguls Taigor war.
Das Bett war immerhin auch benutzt worden. Aber sicher nicht sehr lange, falls der Bräutigam noch einen ausgiebigen Polterabend mit alten Junggesellen-Freunden gefeiert hatte. Und so war es eigentlich in allen Welten der Brauch, die Nicole kannte.
Neben dem Bett stand ein gerahmtes Bild. Es zeigte eine wunderschöne junge Frau.
Tiana, die Braut?
Wenn sie es war, konnte Nicole Cantho nur beglückwünschen. Die Frau auf dem Miniaturgemälde war nicht minder schön als die hübsche Cali. Sie schien, sofern der Künstler ihr nicht hatte schmeicheln wollen, auch etwa in Calis Alter zu sein. Sie hatte gerade eben Heiratsfähigkeit erlangt.
Doch da war noch etwas anderes.
Ein Sigill.
Unwillkürlich griff Nicole danach und besah es in ihrer Hand. Das Sigill bestand aus eigenartig leuchtenden blauen Zeichen, kompliziert ineinander verschnörkelt und verwirrend in ihrer Verschlungenheit. Es war in eine Bronzeplatte gepreßt und mit Leder überzogen.
Nicole überlegte, was es damit auf sich haben konnte. Mit Hilfe solcher Zeichen wurden Dämonen herbeigeschworen. Wer einen Dämon bei seinem Sigill rief, bei seinem Zeichen, der erlegte ihm einen Zwang auf, unter dem er
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