0556 - Milenas Opferstätte
Schmerz spürte, ignorierte er ihn.
Er kam auf die Knie.
Vor Milena hockte er wie ein Hund und schaute zu ihr auf.
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. Es war nur die Farbe, die wechselte. Sie strahlte von innen in einem unheimlichen, sehr kalt wirkenden Weiß. Schwarze Augen sahen aus wie Kohlestücke, der Mund leuchtete rot, so daß sich die beiden Vampirhauer deutlich abmalen konnten.
Insgesamt strömte Milena eine furchtbare Grausamkeit aus, die den Mann allerdings nicht negativ beeinflußte. Er verfiel sogar in eine gewisse Demut, die Milena nickend zur Kenntnis nahm.
»Du weißt, was ich von dir will, mein Freund?«
»Ja, ich werde dir gehorchen.«
»Das will ich auch meinen, du wirst diesen Ort hier verlassen und dich auf den Weg zu einem bestimmten Ziel machen. Was du dort an dich nehmen sollst, habe ich dir gesagt, und ich hoffe, daß du es nicht vergessen hast. Wenn am nächsten Tag die Dunkelheit anbricht, möchte ich, daß du wieder hier bist.«
Der fast nackte Mann erhob und verbeugte sich.
Milena war zufrieden. »Dann nimm deine Kleider, ziehe sie an und geh!«
Er tat, wie geheißen. Nur konnte er nicht gehen, denn das Gewölbe besaß als Zugang nur den Schacht.
Er stellte sich angezogen darunter.
Und Milena, die »Noch-Gefangene« ließ ihn einen Teil ihrer gewaltigen Kräfte spüren.
Er schwebte in die Höhe, als würde er von einem Band durch den Schacht gezogen.
Milenas letzter Teil des Plans war in die entscheidende Phase gegangen…
***
Wir fuhren nicht bis nach Talley. Vielleicht eine halbe Meile vom Unfallwagen entfernt sagte Grealy: »Und jetzt, Partner links ab!«
Ich schaute in den Schein des Fernlichts. »Wo denn?«
»Da ist ein Weg!« Er lachte leise. »Du hättest dir einen anderen Wagen nehmen sollen. Am besten wäre ein Jeep gewesen. Mit so einem Rennschlitten kannst du hier nichts reißen.«
Wie recht Grealy hatte, stellte ich wenig später fest, als wir über den Weg fuhren. Was heißt Weg, das war ein Pfad, mehr nicht. Er führte nicht nur über den unebenen Boden, sondern war auch von dichtem Buschwerk umrahmt. Zweige klatschten wie Hände gegen die Karosserie, der Porsche entwickelte sich zu einem schlingernden Schiff, das über harte Wellen tanzte. Es gab ein groteskes Bild ab, wie das fahle Licht der Scheinwerferlanzen die Umgebung aufriß und ständig neue Bilder aus der grauen Dunkelheit hervorzauberte.
Zerrbilder – bestehend aus Unterholz, hohem Gras, dornigem Buschwerk und den kahlen Zweigen kleiner Birken, die längst ihr Laub verloren hatten.
Ihre Stämme kamen mir vor wie bleiche Säulen, die einen langen Totenweg säumten.
Das war eine Gegend um sich zu verstecken. Grealy, der ebenso schaukelte wie ich, nur kein Lenkrad zu halten brauchte, gab mir den Rat, nicht zu weit vom kaum erkennbaren Pfad abzukommen.
»Weshalb nicht?« knirschte ich durch den halb geschlossenen Mund.
»Da stehen Dornenbüsche. Die fangen den Wagen auf wie Netze. Da mußt du schon mit einem Truck kommen.«
»Demnächst besorge ich mir einen.«
Er lachte. »Du hast Humor, Junge, das ist gut.« Er nickte vor sich hin. »Den brauchst du auch. Es wird nämlich verflucht hart. Die Blutsauger kennen kein Pardon. Sie haben sich verändert. Hast du nicht gesehen, wie sie verbrannten?«
»Sicher.«
»Die zerfallen nicht zu Staub.« Er klammerte sich am Haltegriff fest. »Ich kenne den Grund auch nicht genau, aber die müssen eine Wandlung erfahren haben.«
»Durch sie?«
»Klar, Milena hat sie unter Kontrolle.«
Mir brannte noch eine Frage auf den Lippen. Ich hatte sie schon früher stellen wollen. »Sag mal, Grealy, kanntest du die beiden Monstren eigentlich? Ich meine natürlich die Gesichter. Es müssen doch Männer aus eurem Ort gewesen sein.«
»Nicht direkt.«
Ich umfuhr einige Bäume. Der Porsche geriet dabei wieder ins Schlingern. »Was heißt das denn?«
»Ich habe dir doch gesagt, daß wir viele Asylanten damals aufgenommen haben, Tschechen, die ihre Heimat nach dem Prager Frühling verlassen mußten. Gute Menschen, die arbeiten wollten. Sie haben auch in unseren Bergwerken geschuftet, sind in den letzten Jahren integriert worden, aber dann hat die Vergangenheit sie eingeholt.«
»Durch Milena.«
»Leider. Sie kam nach Talley…«
»Allein?«
»Mit Gepäck, das war alles. Die hat sich auch nie über ihre Herkunft ausgelassen, die lag im dunkeln. Wir wußten nur, daß sie in der Nähe von Bratislava gewohnt hat, also nicht weit von der österreichischen
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