0556 - Odem des Bösen
und man war sie los.
Das war’s, fand Cantho.
Den an sich lächerlichen, schnell beizulegenden Konflikt aufbauschen!
Für einen Mann wie ihn ein leichtes Spiel.
Er sah zu seinem Vater. Weder Taigor noch die anderen Moguln und schon gar nicht der Großmogul selbst ahnten, wie dicht das Netz längst war, das Cantho im Laufe der letzten drei, vier Jahre gesponnen hatte. Er konnte an viel mehr Fäden ziehen, als so mancher ahnte. Seit er sich Wokat zugewandt hatte, wuchs seine heimliche Macht. Er war ein Meister der Intrigen geworden.
Taigor hielt seinen Sohn immer noch für einen unbedarften Jüngling. Daß Cantho seinen Vater längst in der Hand hatte und auch ihn manipulierte, wußte er nicht und hätte es sich auch nicht im Alptraum vorstellen können.
Cantho eilte zu Tiana, die besinnungslos am Boden lag, und kümmerte sich um sie, holte sie ins Bewußtsein zurück.
»Einen Mediker, schnell!« rief er.
Der benommene Hohepriester näherte sich.
»Ist Eure Braut verletzt, Master Cantho? Das können wir heilen, die Dhyarra-Magie und die Kraft der…«
»Erspart mir das Gerede von den Göttern und ihrer Kraft«, fuhr Cantho ihn an. Nur ein Teil seines Ärgers war gespielt. »Wo ist denn Vitana? Sie kam und verschwand sogleich wieder! Was hat sie getan, um uns zu helfen?« Er richtete sich wieder auf, während er die noch benommene Tiana mit sich hochzog. »Ich glaube gar, daß dieser Wahnsinn, der uns alle packte, ein Werk Eurer Götter ist. Oder vielleicht sogar Euer eigenes Werk, Priester? Mein Vater wird Euch dafür zur Rechenschaft ziehen!«
Totenblaß starrte ihn der Hohepriester an, er war fassungslos.
»Wessen beschuldigt Ihr mich, Master Cantho?« stieß er hervor.
Taigor näherte sich.
»Immer mit der Ruhe«, murmelte er. »Rege dich nicht auf, mein Sohn. Wichtig ist, daß dir und deiner Braut nichts geschehen ist. Alles andere werden wir mit Bedacht klären. Es wird einen Schuldigen geben, aber wir sollten uns vor vorschnellen Urteilen hüten.«
Er legte Cantho und dem Mädchen die Hände auf die Schultern.
»Mich dünkt, es ist kein guter Tag für eine Heirat. Wenn es euch recht ist, verschieben wir die Zeremonie. Es sieht so aus, als müßten etliche unserer Gäste ihre Wunden zuerst verarzten lassen, und…« Er wandte sich dem Hohenpriester zu. »Wir müssen klären, mein Bester, was hier geschehen ist. Und vor allem, wie es dazu kommen konnte. Wenn es nicht möglich ist, die Sicherheit meiner Kinder und die ihrer Gäste zu garantieren, wenn die Schatten des Wahnsinns ungehindert durch diese Gemäuer geistern können«, und seine Stimme wurde schneidend und scharf, »dann sollten wir uns überlegen, ob wir die Trauung nicht im Tempel der ORTHOS-Götter vollziehen sollten!«
»Nein!« stieß Tiana erschrocken hervor. »Das - das bitte nicht!«
Cantho zog sie an sich.
»Sei unbesorgt, Liebste«, raunte er. »Wir werden hier heiraten. Aber heute nicht mehr. Ich denke, die Vorzeichen waren böse genug. Wir werden die Gäste ein zweites Mal einladen, ein paar Tage später, wenn geklärt ist, was hier eigentlich geschehen ist. Damit werden wir beide, Tiana, das wohl einzige Brautpaar der Welt sein, das seine Hochzeit gleich zweimal feiert.«
»Was meinst du damit?« fragte sie erstaunt.
Er grinste.
»Daß die Zeremonie der Vermählung jetzt nicht stattfindet, bedeutet natürlich nicht, daß wir die Gäste wieder ausladen. Im Gegenteil, wir werden feiern, und wir feiern ein zweites Mal, wenn ich dich endlich als mein Weib in die Arme schließen kann.«
»Aber… Cantho, das kostet doch Geld! Das ist doch viel zu teuer!« Die Kaufmannstochter und kühle Rechnerin brach in ihr durch.
Cantho lachte.
»Wenn wir dadurch arm werden sollten, wird der Großmogul die Steuern eben erhöhen müssen.«
Sie schluckte.
»Komm, ich bringe dich zu unserer Sänfte«, sagte Cantho und warf dem Hohenpriester noch einen bösen Blick zu.
Er würde herausfinden, was hier schiefgegangen war und aus welchem Grund.
***
Damon durchstreifte den Tempel auf der Suche nach den anderen ORTHOS-Priestern. Den Verantwortlichen für den Verrat hatte er erschlagen, die anderen wollte er Byanca überlassen. Sie wäre um ein Haar getötet worden, mochte sie also auch darüber entscheiden, was aus ihnen wurde.
Leider war er sich sicher, daß sie ihnen verzeihen und sie in ihren eigenen Tempel zurückschicken würde. Sie war zu sanftmütig in diesen Dingen, sie tötete nur im Kampf, ansonsten pflegte sie ihre Gegner
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