0556 - Odem des Bösen
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Aber Zamorra ging darauf ein.
Er hatte ja diesmal die Möglichkeit, den Zauber des Gnoms selbst zu überwachen und steuernd einzugreifen, wenn dem Pechvogel seine Magie wieder einmal ausrutschte.
Er erhob sich und warf wieder einen Routineblick in die Runde.
Seine Augen wurden schmal.
Die Wolke, die er vor sicher schon zwei Stunden erstmals gesehen hatte, schwebte immer noch am gleichen Fleck in der Landschaft!
***
Das, was Besitz von Körper und Geist Lanithas genommen hatte, begriff allmählich, was geschehen war. Erinnerungen kehrten zurück.
Es war auf der Flucht gewesen, doch es hatte seinen Körper verloren, der vernichtet worden war.
Vernichtet von wem?
Von einem Verräter!
Doch war Verrat nicht eigentlich etwas Herrliches, etwas Erstrebenswertes? Mußte es seinem Bezwinger nicht Anerkennung zollen dafür, daß der Schüler besser gewesen war als der Meister?
Aber das konnte es nicht, es empfand nur Haß und Rachsucht. Und es spürte, daß der Körper, in den es geglitten war, viel zu klein für ihn war. Nicht von den Abmessungen her, aber er war nicht geeignet, die unermeßliche Kraft aufzunehmen, mit der es ihn erfüllen konnte, sobald es sich wieder erholt hatte.
Noch war es schwach. Zu schwach, denn sonst hätte es nicht kurz vor dem eigentlichen Ziel die Flucht unterbrechen müssen.
Es konnte froh sein, hier einen Fixpunkt gefunden zu haben.
Einen Fixpunkt zunächst in einem eigenartigen Gefäß, dann in einem schwachen Körper.
Einem Körper, der das Sonnenlicht nicht ertrug…
***
Während der Feier der »geplatzten« Hochzeit war die schöne Tiana nicht so recht bei der Sache. Sie hatte zwar keine Angst mehr, die sie vorhin zeitweilig ergriffen hatte und ihr völlig unerklärlich war, aber sie war ins Grübeln verfallen, und Cantho schaffte es immer nur für wenige Augenblicke, sie mit einem heiteren Spruch, einer Anekdote oder einer seiner äußerst zärtlichen Berührungen aufzumuntern - jene Berührungen, die Tiana immer wieder so elektrisierten, daß sie am liebsten unverzüglich mit ihrem Bräutigam in dessen Privatgemächern verschwunden wäre, um die Hochzeitsnacht zu vollziehen. Ganz gleich, ob die Trauung stattgefunden hatte oder nicht.
War es nicht ein böses Omen, was sich im Tempel abgespielt hatte? Würde es nicht für alle Zeiten wie ein Schatten über dem Paar liegen? Sie konnte sich nicht erinnern, daß jemals zuvor etwas Ähnliches geschehen und eine Vermählung derart gewaltsam gestört und aufgeschoben worden war.
Überhaupt gab ihr auch der Aufschub zu denken.
Vielleicht hatten die Götter es bestimmt, daß die Hochzeit nicht stattfinden sollte?
Tiana war voller Zweifel. Würde sie Cantho nicht so sehr lieben, würde es ihr sicher leichtfallen, die Schatten fortzudrängen und auf eine Vermählung zu verzichten. Wie einfach war es doch, zu sagen: »Laßt die Kutsche Vorfahren, ich reise ab, zurück zu meinem Vater, dem Handelsherrn Joscan in Salassar!« Und doch war es so schwer, sie konnte nicht von Cantho lassen.
Sie brauchte seine Berührung, seine Stimme, sein Lachen. Sie brauchte seinen Ernst, wenn er mit seinem Vater über Politik sprach und über Krieg und Frieden entschied. Sie brauchte das Feuer, das in ihm brannte, diese unlöschbare Flamme, an der sie Wärme fand.
Plötzlich sah sie Byanca unter den Gästen. Und auch Damon war bei ihr, von dem sie gar nicht gewußt hatte, daß auch er in der Stadt war. Nachdem er und Byanca die Räuber erschlagen hatten, die die Hochzeitskarawane zwischen Salassar und Sestempe überfielen, war er davongeritten, und Byanca hatte nicht mehr weiter von ihm gesprochen.
Jetzt wandte sich Byanca Cantho zu und flüsterte mit ihm. Cantho erhob sich und folgte der Halbgöttin und Da mon aus dem Festsaal.
Und Tiana, die strahlende Braut, fühlte sich zerrissener denn je zuvor…
***
Merlin begann Informationen zu suchen. Er war jetzt wieder hellwach und aufmerksam. Er nutzte die Möglichkeiten, die der Saal des Wissens ihm bot. Er suchte nach Sid Amos in der Zeit, in der sich auch Zamorra und Nicole in der Straße der Götter aufhalten mußten. Er erinnerte sich, daß er die beiden dort vorhin nicht mehr gefunden hatte. Allerdings auch an keiner anderen Stelle und auch nicht in einer anderen Zeit…
Er entdeckte den dunklen Bruder, der nach Sestempe gegangen war…
»Narr«, murmelte Merlin. »Sie werden deine Aura spüren, und es wird genau das geschehen, was wir verhindern wollten. Ein Para…«
Er unterbrach
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