0557 - Gehetzt, gejagt, getötet
John nehmen können. Du aber warst greifbarer und hast auf meine Träume, die ich dir schickte, entsprechend reagiert. Sie haben dich irritiert, gib es zu.«
»Das stimmt.«
»Trotzdem bist du bei mir. Darüber freue ich mich. Damals hattest du mich besitzen wollen. Alle hatten mich haben wollen, niemand hat mich bekommen. Ich habe mit euch gespielt und mir einen Spaß daraus gemacht, euch zu locken und zu quälen. Ihr wart mit euren Phantasien allein. Bestimmt hast du mich im Geiste ausgezogen und dir vorgestellt, wie es mit mir sein würde im Bett…«
»Verdammt, wir waren jung!«
»Ich werte es auch nicht, kann es höchstens als ein Kompliment für mich auffassen.«
»Gut, was willst du?«
»Dir die Chance geben, mich so zu sehen, wie du es dir damals vorgestellt hast.«
»Ja, das Licht.«
»Richtig.«
»Ich glaube dir noch immer nicht«, sagte Bill, während er sich stellte und darauf wartete, daß der plötzliche Schwindel vorbeiging.
»Ich habe dich in der Urne gesehen. Dein Gesicht in der Asche, Milena…«
»Vergiß nicht das Blut deines Freundes. Es hat gutgetan, es zu spüren.«
»Trotzdem, Milena, es war…«
»Kannst du dir nicht vorstellen, daß auch für Schwarzblütler neue Zeiten anbrechen? Daß sie sich weiterentwickeln. Vampire mit zwei Leben! Das wäre doch etwas.«
Bill holte zischend Luft. Sie schmeckte nicht einmal modrig. Über ihre Frische wunderte er sich ebenso wie über Milenas Bemerkung.
»Willst du damit sagen, daß es dich zweimal gibt? Daß du zwei Leben geführt hast?«
»Wenn du das Licht machst, wirst du es sehen können.«
»Ist gut.« Bill holte sein Feuerzeug aus der Tasche. Die Flamme fand sofort Nahrung, schuf einen hellen Fleck, der sich bewegte und deshalb einen Widerschein erzeugte.
Viel konnte Bill nicht erkennen. Die tanzenden Schatten erwischten ihn und huschten auch über den Boden. Milena sah er noch nicht, dafür die Urne und die Fackel.
Über die Urne wunderte er sich. Wie war sie in dieses Verlies gelangt? Hatte John Sinclair sie gebracht? Sie hatte sich schließlich in dessen Besitz befunden.
»Ist etwas unklar?«
»Die Urne«, flüsterte Bill. »Woher…?«
»Mach erst Licht, dann wirst du begreifen und auch lernen, mein Freund Bill.«
Er brauchte nur ein wenig nach rechts zu gehen, um die Fackel zu sehen, die an der Wand lehnte. Ein einfacher Holzstab, dessen oberes Ende mit einer dunklen Masse bestrichen war, an die Bill die zitternde Flamme hielt. Es dauerte nicht einmal fünf Sekunden, da brannte die Fackel. Sie hatte zuerst schwarzen Qualm abgegeben, der in Bills Kehle kratzte, als er Luft holte.
Der Reporter wartete einige Zeit, dann nahm er die Fackel in die Rechte und drehte sich.
»Komm vor. Komm zu mir, Bill!«
Das hatte er sowieso tun wollen. Er ging in die Richtung, aus der die Stimme geklungen war.
Der Schein durchbrach die Finsternis. Bill Conolly erkannte die Ausmaße des Verlieses, er spürte auch den kalten Luftzug, der ihn aus der Höhe her traf, aber das alles war plötzlich zweitrangig geworden. Wie von einer anderen Hand geführt, so streckte er seinen Arm aus und sorgte dafür, daß der Fackelschein diejenige Gestalt aus dem Dunkel riß, auf die es dem Reporter ankam.
Es war Milena Mancow, und sie sah fast so aus wie früher. Nur daß sie diesmal keine Kleidungsstücke trug. Bis auf einen Lendenschurz war sie nackt…
***
Grealy, der Mann mit der Schrotflinte, hatte mir geraten, den Porsche stehenzulassen. »Und womit sollen wir fahren?«
»Das Wohnmobil schafft es besser.«
»Da sind aber die Erskine-Brüder.«
»Fürchtest du dich vor denen?«
»Ich nicht. Nur könnten sie mich als Provokation ansehen, was nicht gut für uns alle wäre.«
»Versuche es trotzdem, Sir.« Ich verließ mich auf Grealy, der mir in den letzten Stunden fast so etwas wie ein Freund geworden war.
Dieser ältere Mann kannte das Leben, er hatte Humor und wußte, wie er reagieren mußte, wie er des öfteren unter Beweis gestellt hatte.
Das Wohnmobil stand noch immer an derselben Stelle. Nebelfetzen umwölkten es. Es wirkte wie ein fremdartiges Raumschiff, das von einem anderen Stern kommend, auf der Erde gelandet war. Jedenfalls paßte es nicht in diesen Ort.
Außer uns hielt sich niemand auf der Straße auf. Die Menschen waren und blieben in den Häusern. Das Gefühl, unter einem gewaltigen Druck zu stehen, verstärkte sich bei uns allen.
Selbst Tom Erskine hielt den Mund. Er ging gebeugt, den Blick starr zu Boden gerichtet und
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