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0558 - Aus dem Jenseits entlassen

0558 - Aus dem Jenseits entlassen

Titel: 0558 - Aus dem Jenseits entlassen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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hatte nicht grundlos meine Hand unter den Pullover geschoben. Dort befand sich mein Kreuz. Mit diesem Griff lenkte ich Gilda ab, denn mit der linken faßte ich über meinen Kopf hinweg. Die Kette lag um meinem Hals. Mit zwei Fingern bekam ich sie zu fassen, zog daran und merkte, wie auch mein Kreuz höherwanderte.
    Blitzschnell glitt es aus dem Ausschnitt meines Pullovers hervor, lag auf meiner Hand, und einen Moment später drückte ich es gegen den häßlichen Totenschädel.
    Ich hatte damit gerechnet, daß er zerplatzen würde. Er hätte auch zerlaufen können, zusammenschmelzen wie Eis in der Wärme.
    Nichts davon trat ein.
    Der Schädel blieb normal, bis auf eine Tatsache, die mich zunächst sehr irritierte.
    In einem giftig wirkenden Grün strahlte er plötzlich auf, und das grüne Licht leuchtete auch aus seinen ansonsten leeren Augenhöhlen.
    Da wußte ich Bescheid!
    Nicht das Jenseits hatte Gilda und die anderen entlassen, sondern ein anders Reich.
    Aibon!
    ***
    Erst jetzt schrie sie!
    Es hörte sich ungewöhnlich an. Die Schreie klangen hoch, schrill und gleichzeitig dumpf aus dem Maul, als würden sich dort zwei verschiedene Stimmen zu einer vereinen.
    Sie war Mann, sie war Frau und auch ein Monstrum, denn der grüne Totenschädel paßte in diese Reihenfolge. Bis an das Regal war sie zurückgewichen, gab nicht acht und räumte mit den Ellenbogen einige Gläser ab. Sie fielen zu Boden. Sie hatte ihre Hände gegen den Schädel geschlagen, das grüne Licht strahlte auch noch durch die Finger.
    Hinter mir hörte ich einen wütenden und gleichzeitig grunzenden Laut. Der warnte mich.
    Ich trat zur Seite und kreiselte herum.
    Erica war wie von Sinnen. Sie hatte sich einen Stuhl geschnappt und ihn hoch über ihren Kopf gehalten. Daß sie mir das Möbelstück auf den Schädel schlagen wollte, stand fest.
    Als sie zudrosch, tauchte ich noch weiter ab. Der Stuhl hämmerte gegen die Thekenkante, wo er die Politur abriß und eine lange Schramme hinterließ.
    Der Druck warf Erica noch weiter nach vorn. Ich packte sie und schleuderte sie zurück.
    Zusammen mit dem Stuhl, den sie nicht loslassen wollte, fiel sie zwischen das Mobiliar und riß dabei zwei Tische um. Einige Stühle schob sie zur Seite.
    »Hör auf!« warnte ich sie und kümmerte mich um Gildas grünen Totenschädel.
    Das heißt, ich wollte mich darum kümmern, aber er war nicht mehr vorhanden.
    Sie stand vor mir, wie ich sie kennengelernt hatte. Mit ihrer rotgefärbten Haarflut, zwar ein wenig gleich im Gesicht, aber ein normaler Mensch.
    Erica befreite sich aus den Trümmern. »Gilda!« keuchte sie. »Verdammt, Gilda, bist du okay?« Sie wollte zu ihr laufen, ich spreizte meinen Arm ab und fing sie auf.
    »Nicht so hastig, Lady«, sagte ich sarkastisch. »Erst werde ich mich um Ihre Freundin kümmern.«
    »Was hat sie denn gemacht?« schrie Erica. »Sie… Sie hat dir doch nichts getan.«
    »Das werde ich gleich feststellen.«
    Gilda schaute mich nicht allein ängstlich an, sie hatte ihren Blick auch auf mein Kreuz gerichtet. Die Lippen waren fest zusammengepreßt, als wollte sie mir damit zeigen, daß sie nicht bereit war, auch nur ein Wort zu sagen. Die Farbe an ihrem Mund war etwas verschmiert. So sah es denn aus, als wäre roter Speichel an den Mundwinkeln verlaufen.
    »Du bist es gewesen«, sagte ich leise. »Du mußt gespürt haben, was es bedeutet…«
    »Ich habe nichts gespürt, gar nichts.« Sie streckte mir die Arme entgegen.
    »Dein Totenschädel ist verschwunden.«
    »Ja, ich werde ihn zurückbekommen, wenn ich den Weg ins Jenseits gehe und von dort entlassen werde. Wir haben eine Aufgabe zu bewältigen, wir müssen dort…«
    Sie sprach nicht mehr weiter, da sie mein mehrmaliges Kopfschütteln gesehen hatte. Ich sagte statt dessen: »Jetzt hören Sie mir mal zu, Gilda. Was Sie mir gesagt haben, stimmt nicht. Ich hatte recht. Sie waren nicht im Jenseits. Das kann ich Ihnen versichern. Was Sie gesehen haben, ist eine ganz andere Welt gewesen, ein anderes Reich, das mit der unsrigen Welt nicht viel gemein hat. Aber es besitzt einen Namen, es ist ein Reich, angesiedelt in einer anderen Dimension, und so einfach ist es für den normalen Menschen nicht, dorthin zu gelangen. Es ist das Reich der Märchen, der Legenden. Ein Land zwischen dem Jenseits und dem Diesseits, zwischen Gut und Böse. Und es ist damals entstanden, als der erste große Kampf ausgefochten wurde. Gefallene Engel, die in die ewige Verdammnis hineinglitten, haben es gegründet.

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