0558 - Aus dem Jenseits entlassen
Dieses Land, immergrün auf der einen Seite und gesegnet durch den ewigen Frieden, hatte auch eine andere, eine sehr dunkle Seite, die von einem mächtigen Dämon beherrscht wird. Einem Druiden-König, den bisher niemand hatte vom Thron stoßen können. Er heißt Guywano. Aber das nur am Rande. Ich werde es dir jetzt sagen, Gilda. Hör auch du zu, Erica, wie dieses Land heißt: es ist Aibon…«
Ich hatte während meiner Erklärungen die Stelle gewechselt und stand nun so, daß ich beide Frauen im Blickfeld hatte.
Gilda regte sich nicht, und auch Erica tat nichts. Beide schauten mich an, als hätten sie nichts begriffen. Für sie mußten meine Erklärungen absolutes Neuland sein. Auf Ericas Gesicht malte sich sehr wohl eine leichte Gänsehaut ab.
»Nun?«
Erica gab die Antwort. Zuvor hob sie die Schultern. »Ich weiß es nicht, ich kann nichts sagen, wirklich nicht. Für uns ist alles so überraschend gewesen.«
»Was?«
»Deine Erklärungen. Ich habe noch nie etwas von diesem Land gehört. Du, Gilda?«
»Nein.«
»Dann will ich euch sagen, daß ich nicht gelogen habe. Es existiert tatsächlich.«
»Und du warst dort?«
»Ja, ich habe das Land gesehen. Wie ich schon erwähnte, es kann herrlich und wunderbar sein, braucht es aber nicht, denn es gibt die grausame, die zweite Seite.«
»Märchen und Legenden«, flüsterte sie. »Wie kommst du darauf, daß es so etwas gibt?«
»In Aibon ja. Ich habe Trolle, Feen und viel Wundersames in dieser immergrünen Welt erlebt. Die Menschen waren glücklich. Es ist ein Land voller Musik, es ist der Himmel auf der einen, die Hölle auf der anderen Seite. In welch einem Teil seid ihr gewesen?«
»Nicht bei den Märchen«, flüsterte Gilda.
»Also in Guywanos Reich?«
»Wir kennen ihn nicht.«
Ich blickte Erica an. »Aber ich sollte zu euch kommen. So ist es doch gewesen.«
»Sicher.«
»Jetzt will ich den Grund nicht nur wissen, sondern ihn auch sehen. Habt ihr das verstanden?«
»Jetzt bestimmt.«
»Gut. Aibon will mich haben, Aibon kann mich haben. Ich möchte nur den Weg finden, um hineinzukommen. Es gibt mehrere, das ist mir bekannt, aber zeigt mir euren.«
Erica nickte. Gilda strich durch ihr Gesicht und verteilte die Schminke, die sich auflöste. Sie wirkte fast wie ein Clown. »Es ist nicht weit«, flüsterte Erica. Sie drehte die Finger ineinander. »Du… wir können hier im Haus bleiben.«
»Muß ich zu den anderen?«
»Das schon.«
»Und wo, bitte?«
»Sie befinden sich unten im Keller. Dort haben sie sich versammelt. Noch warten sie.«
»Dann sollen sie nicht zu lange warten. Geht vor, ihr kennt den Weg«, sagte ich lächelnd.
Gilda verließ ihren Platz hinter der Theke. Sie machte den Anfang.
Erica schloß sich ihr an.
Wieder gingen wir dorthin, wo die Garderobenräume lagen. Der kahle Gang machte auf mich einen ernüchternden Eindruck. Beinahe kamen mir Zweifel, ob ich richtig spekuliert hatte.
Gilda öffnete eine Tür, die sich in nichts von den anderen unterschied. Aber hinter ihr lag eine Treppe, die in die Tiefe führte. Da sich die eigentliche Bar schon auf dem Kellerniveau befand, führten die Stufen also noch tiefer in das Erdreich.
Sie bestanden aus glattem Beton. Feuchtigkeit schlug uns entgegen. Der Geruch war auch nicht angenehm. Es stank irgendwie nach Abwasser. Dazwischen wehte der Parfümgeruch der Gäste, die den Weg in die Tiefe ebenfalls geschritten waren.
Das elektrische Licht reichte auch bis tief unter den normalen Keller. Kleine Lampen gaben ihren matten Schein ab, der ebenfalls eine Tür erreichte.
Sie stand weit offen. Ich konnte in den Raum schauen, der hinter der Tür lag.
Dort sah ich sie.
Es waren tatsächlich die Gäste aus dem Honeymoon , die sich dort aufhielten.
Sie standen zusammen und hatten zwei Reihen gebildet. Zwischen ihnen hatten sie einen Gang freigelassen.
Das diffuse Licht wurde von zwei Lampen abgestrahlt, die sich an den Seitenwänden befanden. Es erreichte auch das Bild an der Stirnseite des Raumes. Es hing der Tür genau gegenüber.
Gilda reihte sich nach links ein. Erica verstärkte die Gruppe an der rechten Seite.
Ich blieb am Beginn des Ganges stehen. Mein Blick galt einzig und allein dem Bild.
Es zeigte eine schwarze Kutsche, vor die zwei Schimmel gespannt waren. Die Pferde sahen prächtig aus. Obwohl sie ruhig standen, konnte der Betrachter den Eindruck bekommen, als würden sie jeden Augenblick aus ihrer Ruhestellung heraus starten.
Vier Laternen schaukelten an den Seiten der
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