0559 - Kapitän Sensenmann
Möglicherweise können wir auch eine Sonderkommission bilden. Das ist doch nicht schlecht – oder?«
»Hört sich zumindest gut an. Haben Sie denn eine Theorie?«
»Noch nicht. Ich jedenfalls kann mir nicht vorstellen, daß sich ein längst vermoderter Kapitän vom Meeresgrund erhebt und sich eine Mannschaft zusammensucht. Es gehört in das Reich Ihrer komischen Cornwall-Fabeln, Sergeant.«
Er nickte und meinte dann: »Wenn Sie sich nur nicht irren, Sir…«
***
Es passierte genau drei Tage später und kurz vor Mitternacht. Fischer kreuzten vor der Küste, obwohl es in jener Nacht kaum etwas zu fangen gab. Aber der Sturm der letzten Tage hatte sich gelegt, und so versuchten sie, auch in der Nacht einen Teil des Verlustes aufzuholen.
Ein Boot hatte sich von den anderen abgesondert. Vier Mann Besatzung teilten sich die Arbeit.
Sie waren so sehr damit beschäftigt, daß das Grauen sie überraschen konnte.
Wie aus dem Nichts erschien plötzlich der gewaltige Bug eines alten Seglers vor ihrem Schiff.
Kein Rauschen war zu hören, als das Schiff aus den Wellen stieg.
Dafür sahen sie den plötzlichen Nebel, der auch ihr Boot umfing.
Hörten gellende Schreie, die Angriffssignalen glichen.
Aus dem Nebel erschienen die Gestalten. Frauen, aber kaum noch als solche zu erkennen.
Sie stürzten sich auf die überraschte Mannschaft, der es nicht einmal gelungen war, einen Funkspruch abzusetzen.
Schwerter blitzten, Blut floß über das Deck. Nach einer Minute war der Spuk bereits vorbei.
Der Nebel verflüchtigte sich. Das gewaltige Schiff verschwand, wie von Geisterhand gezogen. Es tauchte in die Fluten und war nicht mehr zu sehen.
Etwa eine Stunde später fiel den anderen Fischern auf, daß ein Boot fehlte. Sie beschlossen, nach ihrem Kollegen zu sehen. Als sie das Boot schließlich fanden, war es schon ziemlich weit abgetrieben und schaukelte wie eine alte Schale auf der langen Dünung.
Vier Tote fanden die Fischer. Sie lagen verteilt auf dem Deck, inmitten großer Blutlachen.
Käpt’n Sensenmann und seine Besatzung hatten ihre ersten Opfer gefunden!
***
Der Commander des Küstenbootes hieß Tucker, war ungefähr in meinem Alter, trug eine schmucke Uniform und trank seinen Tee nur aus kostbarem Meißener Porzellan, wie er uns selbst gesagt hatte. Deshalb faßten Suko und ich die Tassen nur sehr vorsichtig an.
Wenn eine zerbrach, kostete das ein kleines Vermögen.
»Es ist eben meine Art zu leben«, erklärte Tucker und lehnte sich zurück, wobei ein breites Grinsen um seine Lippen huschte. Auf seinem Kopf wuchs graublondes Haar. Bewundern konnte ich auch seinen Oberlippenbart, der wie zwei starre Wellen unter der Nase herfloß und an den Enden spitz zusammenlief. Die kräftige Nase paßte ebenfalls zu den kräftigen Händen, auf deren Fingern kleine Härchen wuchsen.
Wir saßen nicht zum Vergnügen auf diesem Schiff. Es hatte Tote gegeben. Vier Männer waren ums Leben gekommen. Man hatte sie brutal ermordet. Fischer, die in der Nacht diesen Überfall erlebt hatten. Säbel- und Degenstiche hatten ihrem Leben ein Ende bereitet, Waffen also, die in der heutigen Zeit kaum mehr benutzt wurden.
Wenn Terroristen Schiffe kaperten, dann schossen sie mit Maschinenpistolen oder Schnellfeuergewehren.
Hinzu kam außerdem eine Geschichte, die sehr unglaubhaft klang, der wir dennoch nachgehen wollten, weil es gerade diese Stories waren, die uns immer wieder an Fälle heranbrachten, die sich später als unheimliche Drohung herausgestellt hatten.
So auch hier.
Dreizehn verschwundene Frauen innerhalb von zwei Jahren.
Nicht auf einem Fleck konzentriert, nein, die verschwundenen Personen hatten ihre Wohnsitze entlang des Cornwaller Küstenstreifens gehabt, der wie eine gewaltige Faust in den Atlantik hineinragt und verdammt lang ist. Suko und ich hatten Verbindung mit einem gewissen Chiefinspektor Lester aufgenommen, der uns in den Fall – für ihn war er keiner – eingeweiht hatte.
Wo wir den Hebel ansetzen sollten, das hatten wir uns aussuchen können und waren zu der Übereinkunft gelangt, es einfach auf dem Meer zu versuchen. Möglicherweise erschienen die Mörder wieder, tauchten auf wie der Fliegende Holländer und verschwanden ebenso geisterhaft.
Im Prinzip ging es hier um ein solches Schiff. Es sollte von einem Kapitän Sensenmann befehligt werden, unterdessen Kommando Frauen als Besatzung standen.
Lüge, Wahrheit?
Wir waren da, um es herauszufinden.
An der Nordküste von Cornwall hatten wir uns
Weitere Kostenlose Bücher