0559 - Kapitän Sensenmann
schon, Mr. Sinclair. Worauf wollen Sie hinaus?«
»Es gibt den natürlichen, den künstlichen und den magischen Nebel, Commander.«
»Ach, so ist das.«
»Richtig. Ich glaube mehr an den magischen Nebel.«
Tucker lächelte spöttisch. »Zum Glück habe ich mich über Sie erkundigt. Ich weiß nicht nur, wer Sie sind, sondern auch, mit welchen Fällen Sie sich beschäftigen. Da müssen Sie einfach so denken. Eine andere Frage. Haben Sie schon mal gegen ein Geisterschiff gekämpft? Hört sich blöd an, aber mir fiel kein anderer Begriff ein?«
Wir blieben ernst, worüber sich der Commander und sein noch in der Kabine stehender Offizier wunderten. »Ja«, antwortete Suko.
»Wir haben schon gegen diese Gegner gekämpft.«
»Was ist dabei herausgekommen?«
»Wir gewannen. Sonst würden wir nicht vor Ihnen sitzen.«
Tucker lachte laut. »Richtig, gut gekontert.« Dann entließ er seinen Offizier und schlug ein anderes Thema an. »Gesetzt den Fall, wir finden in dieser Nacht nichts, wollen Sie dann weiter an Bord bleiben oder woanders Ihre Recherchen aufnehmen?«
»Sie können uns absetzen.«
»Wo?«
Ich schaute Suko an. »Diese Mrs. Bowman steht noch auf unserer Liste, Alter.«
»Ich weiß. Sie wohnt in Appledore.«
Tucker winkte heftig ab. »Um Himmels willen! Was wollen Sie denn in diesem gottverlassenen Kaff?«
»Mit der Mutter einer verschwundenen Kollegin reden.«
»Ist die Kollegin tot?«
»Wir müssen leider davon ausgehen.«
Der Commander räusperte sich. »Nun ja«, sagte er, »es ist immer schwer, sich mit diesen Dingen auseinanderzusetzen.« Dann winkte er ab. »Irgendwie bekommen Sie das schon in die Reihe, da bin ich mir sicher.« Er schaute auf die Uhr. »Wollen Sie an Deck?«
»Darum habe ich Sie bitten wollen«, sagte Suko.
»Dann los!«
Tucker öffnete uns die Tür. Ein Patrouillenboot ist kein Luxusdampfer. Dementsprechend eng war es unter Deck. Ich mußte den Kopf einziehen, um nicht an die Decke zu stoßen.
Es roch nach Metall, aber auch nach Kaffee und starkem Tee. Der Koch sorgte für die Mannschaft.
Man konnte nicht direkt von einer Kälte sprechen, aber gegen die spätherbstliche Kühle und den Wind mußte man sich schützen. Wir hatten deshalb Parkas bekommen und zogen sie an, bevor wir das Deck betraten.
Wind wehte als steife Brise in unsere Gesichter. Er roch herrlich frisch. Der Geruch von Freiheit, von Weite und Abenteuer wehte über das Deck, auf dem die Positionsleuchten brannten. Die Brücke des Bootes wirkte wie eine mit kleinen Lichtern verzierte Insel aus Stahl und Glas in der grauen Finsternis.
Jemand bot uns einen Kaffee an. Suko und ich lehnten dankend ab. Der Tee hatte uns gereicht.
Tucker blieb an unserer Seite. »Wollen Sie mit auf die Brücke, oder bleiben Sie an Deck?«
»Das Deck wäre uns lieber.« Suko hatte gleich für mich mitgesprochen.
»Wie Sie meinen.«
Wenn der Offizier seine Meldung korrekt abgesetzt hatte, würden wir auf den Nebel zufahren. Das Boot besaß gute Stabilisatoren. Es schlingerte oder schwankte kaum. Wir konnten fast normal über das Deck gehen, passierten die Geschütze, sahen auch die beiden Bordkanonen. Ich schaute hoch zur Brücke, aus deren Fenstern Licht fiel, das uns mit seinem gelben Schein überdeckte.
Tucker verabschiedete sich. Er wollte zu seinen Leuten auf die Brücke. Am Bug blieben wir stehen und schauten hinauf aufs Meer.
Die lange hohe Dünung erinnerte uns an ein Gebirge. Immer wieder rollten Wellenberge heran und wurden vom Bug geteilt.
Gischtwolken kamen hoch, schäumten über, und die Tropfen klatschten wie Staubkörper gegen unsere Gesichter, die durchnäßt wurden. Wir hielten Ausschau nach der Nebelbank, von der gesprochen worden war.
Sie war auch mit dem bloßen Auge zu erkennen. Der Dunst hing über den Wellen und bewegte sich im Rhythmus des Meeres mit.
»Ist der natürlich?« fragte Suko.
Ich hob die Schultern.
»Warte, ich besorge ein Glas.«
Es war eine gute Idee. Während ich weiterhin den Kurs unseren Bootes verfolgte, verschwand mein Freund. Er war rasch wieder da und trug zwei Gläser in den Händen. Wir hängten uns die Riemen über die Schultern, stellten die Optik für unsere Augen scharf und waren eigentlich enttäuscht, daß wir kaum mehr sahen als mit bloßem Augen.
»Die Umrisse eines Schiffes sehe ich nicht«, meinte Suko.
»Ich glaube kaum, daß wir soviel Glück haben und das Geisterschiff schon in der ersten Nacht erleben.«
»Wer weiß…« Suko räusperte sich.
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