0559 - Kapitän Sensenmann
noch lebte Käpt’n Sensenmann. Ihn konnte und durfte Suko einfach nicht überleben lassen. Nur hatte der es geschickt angestellt und sich irgendwo versteckt.
Als die Anstrengung des Kampfes etwas nachließ, spürte Suko auch die Verletzung. Er konnte nicht mehr normal durchtreten. Die Schmerzen zuckten, von der Wunde ausgehend, als böse Stiche durch sein linkes Bein.
Wie ein großes Grabtuch, so deckte der dichte, feuchte und modrig riechende Nebel das Deck zu. Wenn etwas zu erkennen war, verschwamm es vor Sukos Augen. Der Inspektor mußte schon sehr nahe an einen Gegenstand herangehen, um ihn deutlich erkennen zu können. Wie das Ruderhaus, zum Beispiel.
Ob er sich dort aufhielt?
Wenn ja, mußte Suko auf ein kastenartiges Podest klettern. Seine Verlängerung bildete eben das Ruderhaus, dessen Eingangstür offenstand und sich leicht bewegte.
Suko hörte plötzlich das Klimpern. Es war ein Geräusch, daß so gar nicht zu dieser lastenden Stille passen wollte. Ein metallischer Klang wehte über das Deck und durch den Nebel. Suko spürte einen Schauer auf seinen Rücken. Er fragte sich, woher dieses Geräusch stammte. Im Ruderhaus war es nicht aufgeklungen.
Eher in der Nähe des Bugs…
Suko stieg auch nicht auf das Podest. Er umrundete es, um an den Bug des Schiffes zu gelangen.
Aus dem Nebel wurde er angesprochen. »Ja, komm ruhig her, du Mensch aus einer anderen Zeit. Ich warte auf dich. Du brauchst keine Furcht zu haben. Wir sind jetzt allein.«
So wie die Gestalt sprach, konnte es sich nur um Käpt’n Sensenmann handeln.
Suko beeilte sich nicht, weil er nach wie vor mit einer Falle rechnete. Er hatte sich die Richtung genau gemerkt und sah den alten Piraten tatsächlich.
Das Skelett mit dem Dreispitz und der Beinprothese hockte neben einer mit Goldstücken und wertvollen Geschmeide gefüllten Kiste.
Mit beiden Knochenhänden wühlte es den Schatz durcheinander, hob das Gold an, ließ die einzelnen Stücke wieder fallen und tauchte erneut seine Knochenklauen in die Masse.
Eine sichtbare Waffe trug er nicht. Seinen Säbel hatte er quer über die offene Hälfte der Schatztruhe gelegt. Er machte eine lächerliche Figur, wirkte wie ein Kintopp-Monstrum, doch Suko hütete sich, derart zu denken. Dieser Zombie-Pirat war gefährlich.
Er hörte damit auf, in seiner Beute herumzuwühlen, als Suko nahe genug an ihn herangetreten war.
»Das alles gehört dir!« sprach er Suko mit einer dumpfen, kratzig klingenden Stimme an.
»Ich werde es mir sowieso nehmen.«
»Nein, dazu müßtest du mich vernichten.«
»Das ist klar.«
Käpt’n Sensenmann lachte schaurig. »Wenn du das tatsächlich tust, ist alles verloren. Das Schiff, die Beute – einfach alles. Wenn nicht, kannst es an dich nehmen und in deiner Welt damit sogar Gutes tun. Du bist doch einer, der so etwas tun würde.«
»Richtig.«
»Nimm es und…«
»Was ist mit dir?«
»Ich verschwinde wieder.«
»Für wie lange?«
»Das weiß ich nicht. In deinem Leben wirst du mich nicht mehr sehen. Später, wenn du gestorben bist, soll dich doch nichts mehr angehen. Oder siehst du das nicht so?«
»Da habe ich leider eine andere Meinung.«
»Du bist ein Dummkopf«, sagte der Kapitän. »Ein richtiger Trottel, ein Narr bist du.« Er stemmte sich auf seine linke Knochenhand und drückte den durch die Prothese behinderten Körper in die Höhe.
Durch seine Prothese bereitete es ihm noch mehr Mühe. Er blieb in seiner gebückten Haltung, beide Klauen auf den Rand der Kiste gestemmt. »Es war dein letztes Wort, nicht wahr? Deine Entscheidung!«
»Ja!«
»Dann kämpfte wenigstens!« schrie Käpt’n Sensenmann, griff nach seiner Waffe, schnellte plötzlich hoch und stellte sich dem Inspektor zum Kampf.
Suko hätte es mit der Peitsche versuchen können. Das aber war zu riskant. Die Klinge hätte leicht den einen oder anderen Riemen durchtrennen können.
Und so nahm er den Fight an!
***
Manchmal kommt es auf eine blitzschnelle Reaktion und auch auf den Sekundenbruchteil an, um etwas erreichen zu können. In einer derartigen Lage befand ich mich. Noch immer durch den Treffer angeschlagen und auch etwas blind, ließ ich aber meine Beine vorschnellen, in der Hoffnung, den Körper der Frau zu treffen.
Ich erwischte ihn. Wo, das konnte ich nicht sehen, aber ich hörte ihren wütenden Ruf, einen dumpf klingenden Aufprall, dann fiel noch etwas um.
Ich blieb nicht auf der Stelle liegen und rollte mich zur Seite. Mit der Schulter berührte ich ein Tischbein,
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