0565 - Der Tod in seinen Augen
errichtet worden war. Ein Teil des Außengemäuers zeigte die ersten Spuren von Verfall. Da hätte es einer Ausbesserung bedurft. Trotz dieser negativen Dinge war sie noch in Betrieb.
Hinter den alten Bäumen war sie gut vor den Blicken Fremder geschützt. Was mir wiederum nicht paßte. Hier konnte man mich tatsächlich sang- und klanglos verschwinden lassen.
Als Eingang diente eine alte, staubige Holztür, die allerdings geschlossen war.
Wir wollten auch nicht in die Mühle hinein, sondern würden draußen bleiben, damit man mich an einen der vier Flügel binden konnte. Sie kamen mir vor wie ein gewaltiges Kleeblattkreuz, wobei ein Flügel senkrecht zum Boden hin stand.
Der war für mich bestimmt.
Zwei »Blinde« hatten ihn erreicht und hantierten bereits mit Stricken, die sie von ihren Hüften geschlungen hatten. Ausgerechnet jetzt frischte der Wind auf und verfing sich in den Sparren der Flügel. Ich hörte das Knarren und sah auch, daß sich die Flügel bewegen wollten. Sie mußten festgehalten werden.
»Stell dich mit dem Rücken zum Flügel!« befahl der Brasilianer.
»Und noch mal, keine Tricks.«
»Das geht schon klar.« Ich ging mit leicht zitternden Knien vor, drehte mich um und spürte in meinem Rücken den Widerstand des Mühlenflügels. Schon waren die »Blinden« mit den Stricken da. Es ging alles blitzschnell. Sie rollten mir die Dinger um den Leib und gleichzeitig um den Flügel, daß meine Arme eingeklemmt wurden und die Beine ebenfalls. Von oben nach unten verschnürten sie mich. Nur mein Hals blieb dabei frei, so daß ich Luft holen und auch rufen konnte.
Noch einmal wurde ich umstrickt.
Diesmal von links nach rechts. Die Kerle wollten kein Risiko eingehen. Jorge Tigana war zufrieden, was er durch sein Lächeln andeutete. Er gab den Befehl, mich und den Flügel loszulassen, was die Männer auch sofort taten.
Der Mühlenflügel zitterte, was sich auch auf meinen Körper übertrug, der später anfing zu schwanken. Eine Kraft, gegen die ich nicht ankam, sie drückte und zerrte mich nach rechts. Der Wind war wieder so stark geworden, daß er das Flügelkreuz bewegen konnte.
Meine Reise begann!
Beinahe gemächlich glitt ich in die Höhe. Sah das Land unter mir aus der Vogelperspektive und befand mich Sekunden später in einer so großen Höhe, daß ich bereits über die kahlen Kronen der Bäume hinwegblicken konnte. Nun verzerrte und verschob sich die Perspektive immer mehr. Die Landschaft erkannte ich wie ein schräges Bild. In der Ferne die Dächer irgendwelcher Häuser, eine Kirchturmspitze, die sich aber drehte, wie mir vorkam, dann stand ich selbst auf dem Kopf.
Das Blut stieg mir in den Schädel. In meiner unmittelbaren Nähe knarrten die alten Holzsparren, der Wind zerwühlte mir die Haare, biß in mein Gesicht, daß mir die Tränen kamen. Übel wurde mir außerdem.
Die Nachwirkungen des Giftes hatte ich noch nicht vollständig verdaut.
Es ging wieder abwärts.
Diesmal nach links. Wieder konnte ich einen Teil der mich umgebenden Landschaft erkennen. Den Wald, aber auch das graue Band der Straße, über die wir hergefahren waren. In langen Kurven, die mit schnurgeraden Teilen wechselten, durchschnitt sie das Gelände.
Jorge Tigana und seine sechs Helfer tauchten in meinem Blickfeld auf.
Sie hatten sich im Halbkreis aufgestellt, nur Tigana als Chef stand etwas vor.
Klein sahen sie aus, wuchsen jedoch mit jeder Sekunde, die ich tiefer kam.
Ich hatte den tiefsten Punkt noch nicht erreicht, als mich Tigana ansprach.
»Na, wie hat dir die kleine Reise gefallen? Gut?«
Er bekam keine Antwort.
»Du bist doch noch bei Sinnen, Sinclair?«
»Ja!«
»Wunderbar. Dann wirst du jetzt genau zuhören. Einmal haben wir dir diesen Spaß gegönnt. Du wirst in den folgenden Sekunden zu deiner zweiten Tour ansetzen, und wenn du uns dann erkennen kannst, werden wir nicht mehr so aussehen wie jetzt. Dann haben wir alle unsere Brillen abgenommen, und du wirst das erleben, was auch schon drei Männer vor dir mitgemacht haben. Das allmähliche Verbrennen deines Gesichts im Zauber des Macumba!« Er lachte und hielt wie zum Hohn den rechten Arm hoch.
Seine Hand wurde von einer Silberkette umschlossen, und an ihr baumelte das Kreuz.
Mein Kreuz, das mich im Stich gelassen hatte.
Die erste Umdrehung lag hinter mir. Ich rollte hinein in die zweite, die mein Leben auf fürchterliche Art und Weise beenden sollte…
***
Suko kam sich vor wie jemand, der zuviel getrunken hatte, als er nach draußen
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