0567 - Barbaren in London
die Hälfte der Zeit verschläft«, murmelte er und lauschte auch weiterhin den Klängen.
Sein Gedankenapparat bewegte sich sehr schwer. Er war noch zu stark eingerostet. Suko fragte sich, aus welch einem Grunde er überhaupt erwacht war?
Die Magie, die ihn in den Zustand der Bewußtlosigkeit geschleudert hatte, mußte seiner Ansicht nach auch weiterhin vorhanden sein. Möglicherweise geschwächt oder durch eine Gegenmagie zurückgedrängt, die unter Umständen der rote Ryan mitgebracht hatte.
Suko ging zum Fenster. Von außen war er nicht zu sehen, aber er konnte hinausschauen, in den Vorgarten hinein und trotz der Dunkelheit noch weiter bis auf die Fahrbahn, wo die Barbaren eine Wand aus Leibern gebildet hatten.
Suko hatte Mühe, die gesamte Szene mit einem Blick zu erfassen.
Er litt noch unter den Nachwirkungen des magischen Überfalls, so nahm er Stück für Stück das Bild in sich auf.
Der rote Ryan hatte die Initiative übernommen. Er spielte auf seiner Flöte und sorgte dafür, daß die verdammte Hexe Margareta nichts mehr anrichten konnte.
Sie war zu Boden gefallen und mußte den Klängen und Melodien des Instruments gehorchen.
Auch die Dacs griffen nicht ein. Sie standen unter einem starken Bann. In ihren Gesichtern bewegte sich nicht einmal ein Muskel. Die Augen blickten starr und kalt. Die Helme saßen unbeweglich wie Kappen auf ihren Köpfen.
Der Inspektor vermißte ihren Anführer. Sollte er schon ausgeschaltet sein?
Das wäre zu schön gewesen, um wahr zu sein. Solange Suko nicht sicher war, wollte er daran nicht glauben.
Der rote Ryan spielte nicht mehr. Statt dessen sprach er mit der Hexe, an den Mundbewegungen konnte Suko es erkennen. Verstehen konnte er leider nichts.
Er zog sich wieder zurück. Sein Plan stand fest. Er würde dem roten Ryan zu Hilfe eilen, und ihm fiel ein, daß sich eine sehr wichtige Waffe noch im Flur befand.
Einen letzten Blick warf Suko durch die Scheibe. Mehr zufällig als bewußt.
Weshalb der rote Ryan fiel, konnte er nicht erkennen. Jedenfalls hatte die Hexe Oberwasser bekommen, sie stand nun auf den Beinen und rief ihre Befehle.
Eine Person hatte sie wohl nicht damit gemeint. Jane Collins huschte über die Straße und sprang auf den Rücken des weißen Hirschen. Suko wußte überhaupt nichts mehr. Für ihn war nur wichtig, daß er aus dem Haus kam und draußen eingriff.
Er huschte in den Flur, sah den Gral, bückte sich, um nach der Waffe zu greifen, als ihn ein Donnerschlag davon abhielt.
Suko drehte den Kopf. Die Haustür zitterte unter dem mächtigen Aufprall noch nach, als sie bereits von dem zweiten durchgeschüttelt und fast aus den Angeln geschleudert wurde.
In der Mitte war das Holz ebenfalls halb zersplittert. Dort erschienen wie die Stacheln eines Igels die Rückseite der Keule, mit der Krischan zugedroschen hatte.
Sein Weg zum Gral war frei!
***
Mit dem Eingreifen der Detektivin hatte selbst Margareta nicht gerechnet. Sie fuhr auf der Stelle herum und starrte die Frau an, die ausgerechnet auf dem Rücken ihres Reittieres hockte.
Jane kannte natürlich das Risiko, das sie auf sich genommen hatte.
Sie allein gegen die Hexe und die Dacs. Das konnte normalerweise nicht gutgehen. Aber sie wollte dem roten Ryan eine Chance geben, sich wieder erholen zu können, und sie fühlte sich in dieser Welt sicherer als zuvor in Aibon.
»Du!« brüllte Margareta. »Wo kommst du her?«
Jane Collins gab ihr keine Antwort. Sie schlug noch einmal die Hacken in die Flanken des Tieres und drückte den Schädel nach unten.
Das Hirschgeweih zeigte direkt auf die unbeweglich dastehende Hexe, die in einer Geste der Verzweiflung die Arme ausbreitete.
Sie wurde erwischt. Damit ging Janes Plan voll und ganz auf. Das Geweih wuchtete gegen den Körper der Hexe, als wollte es ihn aufspießen.
Es geschah nicht, weil es keine Spitzen besaß, aber Margareta flog zurück und geriet beinahe noch unter die Hufe des Hirschs. Jane ritt weiter.
Sie hatte alles auf eine Karte gesetzt und wollte jetzt nicht aufgeben. Ihr nächstes Ziel war Krischan.
Schon einmal hatte er gegen die Tür geschlagen, zu einem zweiten Keulenhieb wollte ihn Jane nicht kommen lassen. Sie war bereits nahe genug an ihn herangekommen, um dies zu verhindern. Nur hatte sie nicht mit der Macht der Hexe Margareta gerechnet.
Sie beherrschte ihren alten Zauber perfekt, und ihr allein gehorchte der weiße Hirsch im Prinzip.
Noch lag sie auf dem Boden, aber sie hatte einen Arm ausgestreckt und schrie eine
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