057 - Im Banne des Unheimlichen
haben.«
»Haben Sie auch Dr. Laffin gesehen oder gehört?«
»Ich kann mich nicht erinnern, obgleich mir eine der Stimmen, die ich zu hören glaubte, sehr bekannt vorkam. Glauben Sie, daß Dr. Laffin in die Sache verwickelt ist? Nein, ich erinnere mich nicht, ihn gesehen oder gehört zu haben. Das einzige, was ich sicher weiß, ist, daß ich auf einer Tragbahre befördert wurde, und ich entsinne mich auch, lange Zeit das Surren eines Motors vernommen und eine rüttelnde Bewegung gespürt zu haben.« Sie lachte plötzlich leise. »Vielleicht war Mr. Holbrook wirklich nicht dabei, aber dieser Teil meines Traumes war gerade der lebhafteste.«
»Sie meinen den Traum, in dem er sie küßte?« fragte der Inspektor nüchtern.
»Woher wissen Sie, daß ich das geträumt habe?«
»Sie haben bei Ihrem Erwachen erwähnt, daß er Sie geküßt habe, und daß Sie sich das verbitten müßten.«
»So. Dann, bitte, vergessen Sie nicht, Mr. Holbrook zu sagen, daß für mich das Ganze ein böser Traum war!«
Bullott lächelte vor sich hin, als er wegging, und freute sich schon darauf, Bill den Ausspruch zutragen zu können.
21
Seit dem Abend, als die Diamantenschnalle aus dem Haus an der Camden Street verschwand, hatte Bill Holbrook Dr. Laffin nicht mehr gesehen. Auf sein Klopfen öffnete ein neues Dienstmädchen die Tür. Offenbar war es noch sehr fremd im Haus, denn Bill wurde freundlich aufgefordert, einzutreten.
»Nehmen Sie einen Augenblick in der Halle Platz, ich werde fragen, ob der Doktor Zeit hat, Sie zu empfangen.«
Aus dem Arbeitszimmer hörte man einen erregten Wortwechsel. Erst nach zweimaligem Klopfen rief eine Stimme: ›Herein!‹, und dann vernahm man, wie der Doktor das Mädchen ausschalt, weil es den Besucher nicht gleich abgewiesen hatte.
Ein Mann kam aus dem Zimmer gerannt, sein Gesicht war rot vor Zorn - aber dann kam er lächelnd auf Bill zu.
»Sie sind Mr. Holbrook, nicht wahr? Ich bin Lord Lowbridge. Ich glaube, wir sind uns schon begegnet. Wollen Sie aus dem alten Teufel herausbringen, ob er seine Hand beim Verschwinden von Miss Carew im Spiel hatte? Dann können Sie sich die Mühe sparen. Ich habe jetzt eine Stunde lang vergeblich versucht, das festzustellen. Aber natürlich steckt er dahinter -«, fügte er leise hinzu, nickte und verließ hastig das Haus.
Als Holbrook in das verdunkelte Zimmer gebeten wurde, stolperte er auf einen Stuhl zu, den er im ersten Moment nur an seiner polierten Lehne erkennen konnte.
»Ich höre, daß Sie mich sprechen wollen, Mr. Holbrook?«
Die Stimme des Doktors klang beherrscht wie immer. »Leider muß ich Ihnen sagen, daß ich für Zeitungsleute nicht allzuviel übrig habe.«
»Ich danke Ihnen für die freundliche Ermutigung!« scherzte Bill. »Aber ich bin gekommen, um Sie wegen des Verschwindens von Miss Carew zu befragen.«
»Miss Carew und ich stehen nicht auf sehr vertrautem Fuß.«
Der Doktor legte die Fingerspitzen zusammen, lehnte sich in seinen Stuhl zurück und blickte auf den Tisch nieder. »Meine Pläne wurden so oft höhnisch verlacht, mein Rat stets verachtet und meine Aufopferung mit so viel Undank belohnt, daß ich mich für ihre Zukunft kaum mehr interessiere.«
»Sie spielen wohl darauf an, daß Sie Miss Carew als kleines Kind aus dem Armenhaus geholt und zu sich genommen haben? Wußten Sie eigentlich, daß der Vater des Kindes Leiff Stone ist ...«
Der Doktor hatte sein Kinn in beide Hände gestützt. Aber bei Bills Eröffnung fielen seine Hände klatschend auf den Tisch.
»Was meinen Sie damit?« fragte er schneidend.
»Sie wissen also nicht, daß die Carews nicht die Eltern waren, daß das Mädchen vielmehr die Tochter Leiff Stones ist, der seine Frau in der Obhut der Carews ließ, als er nach Amerika zurückkehren mußte?«
In der Stille, die nun folgte, konnte Bill den keuchenden Atem Laffins hören, aber in dem gelben Gesicht zuckte kein Muskel, als er endlich antwortete:
»Das klingt beinahe wie eine Stelle aus einem Schauerroman. Wann wollen Sie das denn erfahren haben?«
Holbrook erwiderte nur, daß Lambert Stone, der Bruder, die Vermutungen bestätigt habe. Toby Marsh erwähnte er mit keinem Wort.
»Ich gestehe, daß ich mir nicht die Mühe genommen habe, im Taufregister nachzusehen«, sagte Laffin nach einer Pause. »Sie sagen, Mr. Lambert Stone erkenne an, daß das Mädchen seine Nichte sei, und daß Leiff Stone der Vater war?«
»War?« wiederholte Bill scharf. »Ist er tot?«
Laffins Gesicht erstarrte zur
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