057 - Im Banne des Unheimlichen
um die Machenschaften oder ahnte sie, und er ging der Sache nach, um seinen Freund zu schützen. Und weil man Sie beide zusammen sprechen gesehen hatte, wurde er getötet - entweder von Laffin selbst oder von seinen Spießgesellen.« Bullott zog ein blaues Papier aus der Tasche, las es mit befriedigter Miene durch und steckte es wieder ein. »Ich werde Laffin heute nacht verhaften!«
»Wegen Ermordung von Bruder John?« fragte Bill überrascht, denn er hatte nicht gewußt, daß ein Haftbefehl ausgestellt worden war.
»Nein, wegen des dringenden Verdachts, den alten Lord Lowbridge durch Gift ermordet zu haben. Wir haben die Leiche ausgegraben und so viel Digitalis darin gefunden, um eine Kompanie Soldaten ins Jenseits befördern zu können. Sie müssen wissen, daß Laffin Lord Lowbridges Hausarzt war. Und Clive Lowbridge war Laffins Mündel. Da dachte er sich wohl, von dem dankbaren jungen Mann reich beschenkt zu werden, wenn er ihm zu der Erbschaft verhalf. Er mußte den alten Lord ohnehin aus dem Weg schaffen, weil ihm sonst stets Entdeckung drohte, denn er hatte sich durch Fälschung einer Urkunde in den Besitz eines zur Erbschaft gehörigen Grundstückes gesetzt. Der jetzige Lord weiß nichts davon, aber tatsächlich sind seine schlechten Vermögensverhältnisse zum großen Teil betrügerischen Machenschaften Laffins zuzuschreiben. Des alten Lords Sohn starb auf genau die gleiche Weise. Vielleicht wird auch da noch Anklage erhoben werden. Laffin ist ein geschickter Giftmischer. Je rascher wir ihn hinter Schloß und Riegel haben, desto besser.«
»Ist er zu Hause?« fragte Bill.
»Nein, ich war bereits dort. Er hat das Haus heute sehr früh verlassen. Ich glaube aber zu wissen, wo er zu finden ist. Und nun, Miss Carew, wollen Sie mit uns kommen?«
Sie nickte.
Mit dem Fünf-Uhr-Schnellzug fuhren sie nach dem Westen Englands - fünfzehn Männer und eine Dame. Bullott hatte sich die Leute, die ihn begleiten sollten, selbst aussuchen dürfen. Als man um acht Uhr abends Newton Abbott erreichte, war er überzeugt, daß die Razzia in der Priorei gewiß nicht mangels fähiger Gehilfen scheitern würde.
Von der Eisenbahnstation brachten drei große Autos die Gesellschaft zum Hotel ›Zwei Brücken‹. Im ersten Wagen saßen Betty, ihr Onkel, Bill Holbrook, Inspektor Bullott und neben dem Chauffeur ein Detektiv.
»Ich fange jetzt an, aufgeregt zu werden«, sagte Betty leise, als das Auto nach Buckfastleigh durchs Moor fuhr.
»Wann fahren Sie eigentlich nach Amerika?« fragte Bill.
»Am Samstag. Ich freue mich sehr darauf. Die ›Escorial‹ ist das größte Schiff der amerikanischen Dampfschiffahrtsgesellschaft. Nicht wahr, Onkel?«
»Das größte und beste«, sagte Stone und erzählte von den großen Gesellschaftsräumen, dem Schwimmbassin, den wundervollen Wohn- und Schlafgemächern, dem Florentiner Restaurant und dem Palmengarten. Doch als Holbrook nach dieser begeisterten Aufzählung bedrückt schwieg, fragte er ihn: »Warum kommen Sie nicht auch mit? Ich möchte eine kleine Gesellschaft auf meinen Landsitz in den Adirondacks einladen.«
»Versetzen Sie sich doch in meine Lage, Mr. Stone«, erwiderte Bill. »Solche Vergnügungsreisen sind nur für reiche Leute. Mir und meinesgleichen muß der Westpark genügen .«
»Nein, wirklich, warum wollen Sie eigentlich nicht mitkommen, Mr. Holbrook?« fragte Betty. »Sie waren einer der ersten, an die mein Onkel dachte.«
Gleich darauf hielt das Auto. Bullott ging ins Hotel, um nach Pawter zu fragen. Er kam rasch wieder heraus und sagte in besorgtem Ton:
»Er ist noch nicht zurück. Wie ich höre, kommt er gewöhnlich um halb zehn Uhr, jetzt ist es aber schon nach zehn.«
»Da hat er sich ja noch nicht sehr verspätet«, bemerkte Stone, »und Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.
Was versprechen Sie sich überhaupt von der Haussuchung? Angenommen, der Orden wäre in die Hände von Verbrechern gefallen - mein Bruder würde bestimmt nicht an ungesetzlichen Handlungen teilnehmen. Glauben Sie, daß Leiff noch dabei ist?«
»Ich befürchte weit mehr«, antwortete Bullott.
Er beschloß, noch eine halbe Stunde zu warten. Bill wanderte ein Stück weit die dunkle Straße hinauf. Da hörte er Schritte hinter sich, wandte sich um und erkannte Betty.
»Mr. Holbrook«, rief sie, »ich möchte Sie sprechen. Habe ich Sie irgendwie beleidigt?«
»Mich beleidigt?« fragte Bill erstaunt. »Wieso, Miss Carew?«
»Sie sind nicht mehr so freundlich zu mir, so -
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