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057 - Im Banne des Unheimlichen

057 - Im Banne des Unheimlichen

Titel: 057 - Im Banne des Unheimlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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Vorbild eines wohlerzogenen Dieners. Als er jedoch seinem Herrn die Decke über die Knie breitete, tat er es mit einer Miene, als rettete er ihm das Leben. Er wollte sich entfernen, blieb aber doch stehen und sah zögernd auf Betty.
    »Würde Mr. Stone es wohl für zudringlich halten, wenn ich ihm meine Hilfe anböte? Ich hörte, daß er krank sei.«
    »Er ist bös gestürzt«, sagte Betty. »Gewiß wird er sich freuen, wenn Sie ihm behilflich sein wollen, Benson.«
    Mit einer leichten Verbeugung entfernte sich der Diener Richtung Treppe.
    »Komischer Teufel, das!« bemerkte Lowbridge angegriffen.
    »Ich weiß nie recht, was ich von ihm denken soll. - Wann sind wir eigentlich in New York?«
    »Mir ist, als ob wir überhaupt nie nach New York kommen würden«, warf Betty hin.
    Lowbridge zog die Augenbrauen hoch.
    »Um Gottes willen, Betty, geben Sie sich doch nicht so düsteren Gedanken hin!«
    Bill kehrte zu Bullott zurück. Er hatte vorhin die Kabine von außen verschlossen und den Schlüssel eingesteckt. Offenbar war der Inspektor eingenickt, denn als Holbrook behutsam eintrat, fuhr er auf, und seine Hand griff unters Kopfkissen.
    »Bullott, ich werde Ihnen den Kapitän bringen, damit Sie mit ihm sprechen können.«
    »Tun Sie das nicht! Ich habe ihm schon geschrieben. Der Kapitän hat die Geschichte satt. Er hält mich für einen lästigen Menschen, der die geheiligte Ordnung an Bord stören und unbedingt eine Panik erzeugen möchte. Ich kann Ihnen sagen, es gibt nichts Phantasieloseres als einen Seemann. Das ist ein Mann, der sich mit bestimmten, immer wiederkehrenden Tatsachen befaßt - mit der Sonnenhöhe über der Kimm, mit den Gewohnheiten der Eisberge, mit der Dummheit der Lotsen und den Nörgeleien der Hafenbehörden ... Holbrook, wenn wirklich geschieht, was ich erwarte, dann wird auf dem Schiff die Hölle los sein. Sie müssen den Zahlmeister dazu bringen, daß er den Passagieren ihre Waffen zurückgibt.«
    »Ich habe es schon versucht, aber nichts erreicht, und ich halte es auch nicht für so wichtig. Nicht ein Prozent der Leute, die Waffen bei sich tragen, verstehen sie auch zu gebrauchen.«
    »Vielleicht haben Sie recht«, sagte der Inspektor. »Gehen Sie aber jedenfalls hin und stehlen Sie sich eine.«
    Bill schlug lachend auf seine gebauchte Gesäßtasche. Er war nicht umsonst in der Kanzlei des Zahlmeisters gewesen.

37
    An Bord der ›Escorial‹ deutete nichts darauf hin, daß sich eine Tragödie vorbereitete. Der Gong rief regelmäßig zu den üppigen Mahlzeiten, das säulengeschmückte Schwimmbad widerhallte vom Gelächter der jungen Leute, die im Wasser herumplanschten. Im großen Gesellschaftsraum, wo die älteren Passagiere ihren Tee zu nehmen pflegten, spielte das Orchester. In den Rauch- und Spielsalons herrschte vom Nachmittag bis in die Nacht hinein ein stetes Kommen und Gehen.
    Am Abend sollte ein Maskenball stattfinden. Ein Anschlag machte darauf aufmerksam, daß man beim Friseur Kostüme, Masken und Perücken ausleihen könne.
    Nach dem Abendessen schob man die Tische in der Mitte des großen Speisesaals beiseite und rollte die Teppiche auf. Darunter kam eine blank gebohnerte Tanzfläche zum Vorschein. Der Saal begann sich zu füllen, und der Trommler des Orchesters gab das Zeichen zum Beginn des Balles.
    »Es ist wirklich wundervoll!« staunte Betty.
    Clive hatte ein Sofa für sie erobert. Kaffee wurde serviert. Dem noch ein wenig bleichen, aber fröhlichen Mr. Stone, dessen Wunde eine schwarze Seidenbinde verhüllte, hatte man den Eckplatz eingeräumt.
    Bill verschwand einige Male im Laufe des Abends. Als er zum drittenmal zurückkam, fragte ihn Betty neckend:
    »Warum gehen Sie so oft in Ihre Kabine? Es sieht beinahe aus, als ob Sie nach einem Baby sehen müßten!«
    Das Durcheinander von Musik, Stimmengewirr und Gelächter machte es ganz unmöglich, daß unberufene Ohren ihn hören konnten, und so flüsterte er ihr zu: »Bullott ist in meiner Kabine. Niemand darf es erfahren.«
    Als der Tanz zu Ende war, erhob sie sich.
    »Führen Sie mich auf Deck«, bat sie.
    Er ging mit ihr aufs vordere Promenadendeck, wo es um diese Zeit ganz leer war.
    »Erzählen Sie mir alles -«, sagte sie. »Bullott ist in Ihrer Kabine? Warum kommt er nicht herauf?«
    Sie hörte seine Erklärungen an, ohne ihn zu unterbrechen.
    »Er glaubt also, daß etwas geschehen wird?«
    »Ich will Sie nicht täuschen - ja. Und es liegt heute nacht geradezu in der Luft. Als ich die Dominos und Masken tanzen sah, konnte

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