Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
057 - Im Banne des Unheimlichen

057 - Im Banne des Unheimlichen

Titel: 057 - Im Banne des Unheimlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
Steckenpferd.«
    Bill bezog seinen gewohnten Beobachtungsposten. Er blieb die ganze Nacht wach. Den Rücken an die Wand gelehnt, spähte er nach allen Richtungen - darauf gefaßt, einen Angriff abwehren zu müssen. Der Ball dauerte bis nach Mitternacht. Es wurde ein Uhr, bis der letzte Passagier den Palmengarten verließ, und beinah zwei Uhr, bis der große Rauchsalon sich leerte und die Reinigungsmannschaft an ihre Arbeit gehen konnte.
    Der Nachtsteward servierte Holbrook um halb drei Uhr Kaffee und blieb ein wenig stehen, um zu schwatzen.
    »Finden Sie nicht auch, Sir, daß es auf der ›Escorial‹ sehr still ist? Der Maskenball heute hat die Leute natürlich ein bißchen angeheizt, aber das ist noch lange nichts gegen das, was ich schon erlebt habe ... Wollen Sie wirklich die ganze Nacht aufbleiben, Sir?«
    Nach einem Weilchen zog sich der Steward zurück. Bill war wieder allein. Von oben hörte er die Stimmen der Wache. Und dann schlug sein Herz schneller. Er sah, wie sich die Tür von Bettys Kabine ein wenig öffnete - sie streckte den Kopf durch den Spalt und lächelte ihm freundlich zu.
    »Ich bin gerade aufgewacht. Ist es sehr spät?«
    »Fast vier Uhr.«
    »Ich werde wohl nicht mehr schlafen können. Wollen Sie sich jetzt nicht ein wenig hinlegen?«
    Er schüttelte den Kopf. Sie nickte ihm zu und schloß die Tür wieder. Er hörte, wie sie den Schlüssel umdrehte. Jetzt konnte er beruhigt einige Minuten auf Deck gehen.
    Er fragte sich, ob wohl schon eine Antwort auf Bullotts Funkspruch eingetroffen sei, stieg aufs Bootsdeck und pochte an die Tür der Funkstation. Der Funker öffnete ihm.
    »Hallo, sind Depeschen eingetroffen? Vielleicht eine für Bullott?«
    »Wenn schon - der ist ja nicht hier!«
    »Doch, er ist hier«, sagte Bill, schloß die Tür und ließ sich am Tisch des Funkers nieder.
    »Für Sie ist kein Telegramm da - nur eines von Scotland Yard für den Kapitän.«
    »Gerade auf das habe ich gewartet.«
    »Ich sagte Ihnen doch, es ist für den Alten. Ich werde es abliefern, sobald er erwacht. Es ist übrigens ellenlang.«
    »Kommen die Wörter ›Kent‹ und ›Sussex‹ darin vor?« fragte Bill.
    »Großer Gott, sind Sie Gedankenleser? Ja, aber das sind doch Chiffren, nicht wahr? Alles andere ist verständliches Englisch. Es steht drin, daß ›Kent‹ und ›Sussex‹ sofort folgen werden. Außerdem ist noch eine sechs Seiten lange Chiffredepesche für den Alten da.«
    »Mein Freund, Sie würden gut daran tun, den Kapitän sofort zu wecken und ihm die Depeschen gleich zuzustellen«, sagte Bill beschwörend. »Sie wissen gar nicht, wieviel davon abhängen kann.«
    Der Funker grinste nur.
    »Ich weiß sehr gut, was geschieht, wenn ich den Alten jetzt wecke ... hallo, was gibt's?«
    Jemand hatte an die Tür geklopft. Der Funker zog den Riegel zurück und öffnete. In der ersten Sekunde konnte er draußen niemanden erkennen, dann aber löste sich aus der Dunkelheit eine vom Kopf bis zu den Füßen vermummte Gestalt und trat auf ihn zu - zwei Augen blitzten ihn durch die Schlitze in der Kapuze an, und er sah den Lauf einer Pistole auf sich gerichtet.
    »Bewegen Sie sich nicht! Rühren Sie den Apparat nicht mehr an, sonst sind Sie ein Kind des Todes!« drohte eine rauhe Stimme. »Im Namen der Stolzen Söhne von Ragusa befehle ich Ihnen, die Station zu räumen. Marsch hinaus!«
    Bills Herzschlag hatte einen Moment gestockt. Er wußte, jetzt war die Stunde der Entscheidung gekommen. Schweigend folgte er dem Funker aufs Deck hinaus. Dort standen weitere vermummte Gestalten. Es mochten zehn, vielleicht auch mehr sein.
    »Setzen Sie sich in die Station!« befahl der Wortführer einem seiner Gefährten. »Nehmen Sie alle Depeschen auf, die einlaufen, schießen Sie jeden Unbefugten nieder, der sich Zutritt verschaffen will, und zerstören Sie die Apparate und Lampen, wenn es zum äußersten kommt.«
    »Jawohl, Sir.«
    »Wo ist Ihre Kabine?« wandte sich der Anführer an den rechtmäßigen Schiffsfunker.
    »Achtern. Was soll das heißen?«
    »Fragen Sie nicht so dumm! Bringt den Mann in seine Kabine und sperrt ihn ein! - Und wer sind Sie?« wurde Bill gefragt.
    »Ein Passagier«, antwortete er, froh, nicht erkannt worden zu sein.
    »Haltet ihn hier fest. Und nun vorwärts, Männer!«
    Bill sah, wie sich die Bande nach vorn zur Brücke schlich, dann verlor er sie aus den Augen. Einige Zeit hörte er nichts, dann vernahm er einen Schrei und den gedämpften Knall eines Schusses. Der Mann, der ihn bewachte,

Weitere Kostenlose Bücher