057 - Im Banne des Unheimlichen
Bande fertig zu werden, wenn wenigstens einer von uns, der die Bandenführer und ihre Pläne kennt, sich frei an Bord bewegen und auf der Hut sein kann. Also heraus mit Schnurrbart, Farbe und allen Ihren Künsten, Mann! Heute nachmittag noch haben Sie jedem x-beliebigen angeboten, ihn so zu verwandeln, daß nicht einmal seine eigene Tante ihn erkennt! Jetzt aber geht es darum, wie Sie selbst sagen, nicht zu ersaufen.«
Der Friseur war von dem Gedanken nicht begeistert, sich in dieser Situation mit solchen Künsten befassen zu müssen, aber eine Banknote aus Bills Brieftasche brachte ihn schließlich doch dazu, sich an die Arbeit zu machen. In einer guten Viertelstunde war er damit fertig. Als sich Bill im Spiegel betrachtete, erkannte er sich selbst nicht.
In der kurzen Zeit waren ihm rote Augenbrauen und ein gestutzter roter Schnurrbart gewachsen, und sein Haar hatte eine Farbe angenommen, die fast dem Tizianrot Bettys glich. Überdies war es auf eine ihm höchst widerliche Art kunstvoll gescheitelt und gebrannt.
»Sackerment!« stieß er verwundert aus.
Dem Friseur schmeichelte der Beifall sehr.
»Sie hätten das in London nicht besser haben können, Sir«, meinte er stolz. »Jetzt müssen Sie nur jeden Morgen zu mir kommen, damit ich Ihr Haar immer wieder in Ordnung bringen kann.«
Als Bill zum Zahlmeister zurückkehrte, fand er ihn im Gespräch mit einem der Vermummten vor der Tür zur Kanzlei. Er wartete in gehöriger Entfernung, bis die Besprechung beendet war.
»Was wünschen Sie?« fuhr ihn der Zahlmeister ungnädig an.
»Ich will nicht belästigt werden. Sie wissen doch, daß Sie dem Obersteward unterstellt sind!«
»Kommen Sie also mit mir zum Obersteward und weisen Sie ihn an, meine Wünsche zu berücksichtigen.«
Der Zahlmeister sah den dreisten Steward verdutzt an.
»Wer sind Sie denn?« Bill grinste und gab sich zu erkennen.
»Bitte, sagen Sie dem Obersteward, er möge mich für den Dienst im Appartement ›H‹, das Mr. Stone bewohnt, bestimmen und niemandem etwas davon sagen. Auch Mr. Stone und seine Nichte brauchen es vorläufig nicht zu wissen.«
»Einen Augenblick.« Der Zahlmeister schien zu überlegen. »Es wird besser sein, wenn Sie nicht in die Messe der Stewards hinabgehen. Wer ist denn Ihr eigener Steward?«
Bill nannte den Namen.
»Gut, der kann Ihnen helfen. Aber was, glauben Sie, werden die Burschen mit uns anfangen?«
»Sie werden alles Wertvolle an Bord an sich nehmen, vor allem natürlich die fünfzig Millionen Dollar in Banknoten .«
»Die haben Sie schon«, unterbrach der Zahlmeister. »Sie haben die Geldkisten aus dem Kassenraum geholt und in meiner Kabine aufgestapelt. Aber was wollen sie damit anfangen? Es ist doch vorauszusehen, daß sie erwischt werden.«
»Warum sollten sie erwischt werden?« versetzte Bill. »Es ist doch eigentlich das naheliegendste und leichteste Ding der Welt, sich durch einen Handstreich auf hoher See in den Besitz eines Schiffes zu setzen, das Millionen mit sich führt und dabei so wertlos ist wie eine Kuh mit abgeschnittenen Hörnern. Wissen die Passagiere schon etwas von den Vorfällen?«
»Noch nicht, und sie sollen so lange wie möglich nichts erfahren. Sie kommen ja nur mit mir und den Stewards in Berührung, und inzwischen werden wir ja ...«
»Sie wollten wohl sagen, daß wir inzwischen New York erreichen werden, wie?«
»Ja. Oder glauben Sie, daß wir New York überhaupt nicht erreichen?«
»Ich zweifle sehr daran. Außerdem müssen die Passagiere doch hinter die Wahrheit kommen, wenn die Piraten ihre Kabinen nach Wertsachen durchsuchen werden.«
»Das haben Sie doch gar nicht nötig! Die Wertsachen werden alle in meinem Kassenraum aufbewahrt. Der Schmuck wird nur ab und zu von den Damen abgeholt und dann wieder bei mir hinterlegt. Und das Geld der Fahrgäste ist größtenteils auch in meinem Gewahrsam. Ich bin zwar ermächtigt worden, jede Summe einzuzahlen, die gefordert wird, damit man nicht Lunte riecht. Die einzige Verfügung, die etwas Unruhe schaffen wird, ist die, daß niemand das Bootsdeck betreten darf. Bei jedem Aufgang steht ein Quartiermeister, der die Leute davon abzuhalten hat. Und auch die Aufzüge dürfen nur bis zum zweiten Deck verkehren. Mein Gott, in was für eine Lage sind wir geraten! Wissen Sie eigentlich, wie es dem Kapitän ergangen ist?«
»Ich weiß es nicht, kann es mir aber vorstellen.«
»Sie haben vier Bewaffnete in den Maschinenraum gesteckt. Wie viele auf der Brücke sind, weiß ich nicht.
Weitere Kostenlose Bücher