057 - Im Banne des Unheimlichen
Unsere Deckmannschaft wird durch Maschinengewehre in Schach gehalten. Die Lebensmitteldepots werden überwacht. Überall, wo sie von den Passagieren nicht gesehen werden können, stecken die Kerle. Der Mann, der diesen Überfall ausgedacht hat, muß ein Genie sein.«
Zufällig ergab es sich, daß der für die Stones zuständige Steward in der Nacht krank geworden war, so daß das Auftauchen eines neuen nicht weiter auffiel. Mr. Stone, der sich noch immer nicht ganz erholt hatte, nahm das Frühstück in seinem Salon ein, und Betty leistete ihm an diesem Morgen Gesellschaft. Sie erkundigte sich teilnahmsvoll nach dem erkrankten Steward. Bill gab nur einsilbige Antworten. Er war besorgt, daß sie ihn erkennen könnte, und atmete daher auf, als sie ihm eine Botschaft an ihn selbst auftrug.
Wie notwendig seine Verwandlung gewesen war, wurde ihm bewußt, als er in seine eigene Kabine kam und dort zwei Mitglieder der Bande antraf, die eine eingehende Durchsuchung vornahmen. Das Bett war aufgewühlt, der Schrank stand offen. Die beiden fuhren herum, als er eintrat.
»Wo ist Holbrook?« fragte der eine heiser.
Keiner von ihnen trug die Tracht der Söhne von Ragusa. Bill vermutete, daß die Banditen unvermummt gingen, wenn sie mit den Passagieren in Berührung kamen, aber später fand er heraus, daß sie ihre Kutten überhaupt abgelegt hatten, nachdem ihnen der Handstreich gelungen war.
»Wo Mr. Holbrook ist, weiß ich nicht, Sir«, gab er zur Antwort.
»Sagen Sie ihm ja nicht, daß wir nach ihm gefragt haben!« drohte der andere. »Sie haben doch die neuen Instruktionen bekommen, Steward?«
»Gewiß, Sir«, versicherte Bill unterwürfig.
Er begab sich zu Betty zurück und überbrachte ihr ein kurzes Brief lein, das er im Kabinengang schnell hingekritzelt hatte.
Sie war erstaunt, als sie es las.
»Mr. Holbrook schreibt, daß wir die nächsten drei Tage nicht damit rechnen dürfen, ihn zu sehen«, sagte sie und schob das Blatt über den Tisch ihrem Onkel zu.
Auch Mr. Stone las die Mitteilung.
»Hm! Was treibt er nur wieder? Ich werde in seine Kabine nachschauen gehen.«
»Ich glaube, Sie sollten das unterlassen, Sir«, sagte Bill. Er hatte sich eine Fistelstimme zugelegt, die Betty durch Mark und Bein ging. »Er schärfte mir ein, daß er niemand sehen wolle. Ich glaube, er hat von seinem Büro eine Depesche bekommen.«
»Vielleicht hat er wirklich etwas Dringendes zu erledigen«, warf Betty ein wenig beunruhigt ein.
Bill suchte nun den Decksteward auf.
»Ich werde Ihnen hier oben helfen«, erklärte er mit geschäftsmäßiger Bestimmtheit.
Der Steward fuhr grüßend an die Mütze, denn offenbar hielt er ihn für einen Gehilfen der Piraten.
»Zu Befehl, Sir.«
»Die Fahrgäste wissen noch nichts?«
»Nein, Sir. Wir haben strengen Befehl, keine Nachrichten durchsickern zu lassen.«
Um elf Uhr wurde Fleischbrühe gereicht, und Bill half auch dabei seinem neuen Kollegen. Clive Lowbridge schnitt eine Grimasse, als er ihm eine Tasse anbot. Das Wetter war nicht so warm wie am Vortag. Bill bemerkte, daß Betty fröstelte, und eilte in ihre Kabine, um ihr einen Pelz zu holen.
»Wie lieb von Ihnen, Steward!« rief sie, durch soviel Aufmerksamkeit gerührt, aus, als er ihr den Pelz um die Schultern legte. »Haben Sie eigentlich Mr. Holbrook nicht wiedergesehen?«
»O doch, ich bin ihm eben im Korridor begegnet ...«
Als er zur Anrichte zurückkehrte, nahm ihn der Decksteward beiseite, um ihm ein Silbertablett mit einer Flasche darauf anzuvertrauen.
»Ihr Chef wünscht noch eine Flasche Whisky -«, flüsterte er ihm zu, »ich wäre recht froh, wenn Sie sie hinauftragen wollten. Ich bin nicht gerade ein Hasenfuß, aber ...«
Es war ein gefährliches Unternehmen, zu dem sich Holbrook da herbeiließ. Wenn der scharfsinnige Laffin auf der Brücke war, konnte es leicht um ihn geschehen sein. Anderseits aber wollte er die Gelegenheit benutzen, den Decksteward in seinem Irrtum zu bestärken. Er machte sich also auf den Weg und kam unbehelligt bis unter die Brücke. Den Stewards war anscheinend der Zugang zum Bootsdeck nicht verwehrt, denn niemand hielt ihn an. Ein Mann, den er schon gesehen hatte, guckte von oben herab.
»Heraufbringen!« befahl er barsch.
Keiner der drei Strolche, die auf der Brücke waren, trug die Tracht der Söhne von Ragusa oder irgendeine Offiziersuniform. Der, der den Wachtoffizier spielte, hatte einen steifen Hut auf dem Kopf und Golfhosen an.
Bill betrat die Kapitänskajüte, von der jetzt
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