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057 - Im Banne des Unheimlichen

057 - Im Banne des Unheimlichen

Titel: 057 - Im Banne des Unheimlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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ein riesiger Mann Besitz ergriffen hatte - Harvey Hale!
    »Stell das Zeug dahin«, brummte er. »Ist unten alles in Ordnung? Wie heißt du übrigens, mein Junge?«
    »Smithers, Sir«, sagte Bill unverzüglich.
    »Also hör mich an, Smithers - sag deinen Kameraden drunten, daß ihnen kein Haar gekrümmt wird, solange sie keine Dummheiten machen. Du kennst mich doch? - Kennst du mich nicht? Bist du noch nie mit mir gesegelt, eh?« Der neue Kapitän war sichtlich enttäuscht. »Dann werde ich dir sagen, wer ich bin. Harvey Hale bin ich! Wirst du dir das merken?«
    »Gewiß, Sir«, antwortete Holbrook gehorsam.
    »Schön! Du wirst also der Welt einmal erzählen können, daß du mit Harvey Hale zusammengetroffen bist, Bursche! Daß du den großen Mann mit den großen Ideen kennengelernt hast! Merk dir das - den großen Mann mit den großen Ideen! Wenn du damit protzen wirst, daß du mit mir zusammengekommen bist, vergiß nicht zu sagen: ›Ich habe die große Ehre gehabt, Harvey Hale kennenzulernen, den gro-o-oßen Mann mit den großen Ideen!‹«
    Bill betrachtete ihn interessiert. Zu seinen Gunsten hatte sich der Kapitän sicher nicht verändert, seit er ihn zum letztenmal gesehen. Er trug Khakihosen und einen alten Trenchcoat.
    Plötzlich änderte sich sein Ton, und er wurde rein sachlich.
    »Kennen Sie einen Fahrgast namens Holbrook?« fragte er. »Er war heute morgen an Deck, aber seither habe ich ihn nicht mehr gesehen.«
    »Jawohl, Sir. Ich hatte ihn zu bedienen, aber auch ich habe ihn seit heute morgen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Er ist verschwunden.«
    Harvey Hale verzog den Mund.
    »Damit hat er nicht so unrecht gehabt! Das ist ein schlauer Bursche. Aber, hör zu, wenn du ihn siehst, sag ihm, er soll sofort zu mir kommen. Sag einfach, der Kapitän wolle ihn sprechen.«
    »Ich werde Ihren Befehl ausführen, Sir, sobald ich Holbrook sehe«, versprach Bill, der sich in seiner Verkleidung immer sicherer fühlte.

38
    Am Nachmittag stellte Bill fest, daß doch etwas von den Ereignissen durchgesickert sein mußte. Die Stimmung der Passagiere war schlechter geworden. Er sah ernste Gesichter, und ein ihm unbekannter Herr sprach ihn im Gang an und fragte, ob an Bord etwas nicht in Ordnung sei.
    »Nein, Sir«, erwiderte Bill. »Wieso?«
    »Hat es oben nicht einen Kampf gegeben?«
    Der Herr zeigte mit dem Daumen in die Höhe.
    »Nicht, daß ich wüßte, Sir.«
    »Aber jemand ist doch heute morgen verwundet worden, und ich höre, der Kapitän soll tot sein.«
    »Davon habe ich nichts gehört.«
    Bill zuckte die Schultern und lief einfach davon.
    Aber auch die übrigen Passagiere konnten nicht umhin, eine auffällige Erscheinung festzustellen, als sie nach dem Abendessen auf Deck kamen. Es war nämlich trotz der späten Stunde noch sehr hell, so daß man den Horizont nach allen Seiten klar übersehen konnte. Auch war es ungewöhnlich kühl, so daß sich alle bald wieder in die geschützten Räume zurückzogen.
    Als Betty am nächsten Morgen erwachte, fröstelte sie derart, daß sie ihren Pelzmantel über die Decke zog. Bald darauf klopfte der neue Steward und trat ein.
    »Ich werde den elektrischen Ofen einschalten, wenn Sie nichts dagegen haben, Miss Stone.«
    »Einen Ofen im Juli!« wunderte sie sich.
    »Es ist seltsam, aber notwendig. Ich würde an Ihrer Stelle nicht aufstehen, bis die Kabine durchwärmt ist.«
    »Was ist denn nur los? Woher diese plötzliche Kälte?« erkundigte sie sich unter der Decke hervor.
    »Ich weiß nicht, aber in der Nacht hat es geschneit. Auf dem Oberdeck liegt der Schnee zwei Zentimeter hoch!«
    Bill wußte natürlich genau, daß die ›Escorial‹ einen Kurswechsel vorgenommen hatte und bereits seit achtundzwanzig Stundendem nördlichen Eismeer zusteuerte.
    Es befand sich niemand auf Deck, als er, mit allerhand warmem Zeug angetan, hinaufging, um sich das überraschende Schauspiel des plötzlich hereingebrochenen Winters anzusehen.
    Das Schiff entwickelte eine Höchstgeschwindigkeit von dreißig Knoten und hatte bereits mehr als siebenhundert Meilen auf nördlichem Kurs zurückgelegt. Bill schätzte, daß sie sich in der Nähe des sechzigsten Breitengrades befinden mußten. Jede Bank, jedes Tau war mit einer Eiskruste überzogen, eine Schneeschicht lag auf Aufbauten und Relingen, und das Deck war stellenweise verweht. Er glaubte, an der Kimm sogar einen kleinen Eisberg zu entdecken. Das Wetter war klar und nebelfrei, die See ruhig. Wenn nicht die rasche Zunahme der Kälte gewesen wäre,

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