Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
057 - Im Banne des Unheimlichen

057 - Im Banne des Unheimlichen

Titel: 057 - Im Banne des Unheimlichen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
Vom Netzwerk:
rufen. Der Piratenhäuptling war im Kartenhaus damit beschäftigt, mit einem Zirkel Entfernungen auf einer Admiralitätskarte abzustechen, und hatte ein Segelhandbuch offen neben sich liegen.
    »Steward«, sagte er, als Bill sich meldete, »geh hinunter und sag dem Zahlmeister, daß er mir sofort ein Verzeichnis des an Bord befindlichen Proviantes vorzulegen hat. Auch soll er den Laderaum Nr. 4 öffnen und alle für die West-Verpflegungsgesellschaft New York bestimmten Kisten herausholen lassen.«
    Holbrook überbrachte dem Zahlmeister diese Befehle. Er hatte also, was die Lebensmittel betraf, recht gehabt und fragte sich nur, warum Toby Marsh nicht mehr über die Pläne der Söhne von Ragusa verraten hatte. Dann erinnerte er sich aber, daß ja auf der Fahrt nach Bath eine Aussöhnung zwischen Marsh und Laffin stattgefunden haben mußte.
    Bill kehrte mit der Meldung auf die Brücke zurück, daß er den Auftrag ausgeführt habe und das Verzeichnis noch vor dem Abend in Hales Händen sein werde. Er benützte die Gelegenheit, die Situation in der Funkstation zu erkunden. Der Posten saß noch immer vor der Tür. Die Station befand sich in einem Deckaufbau, der mit Stahlblech verschalt war. Auf drei Seiten waren unter dem Dach kleine Fenster ausgespart.
    Bill wollte das Bootsdeck über die hintere Treppe verlassen, weil er vermutete, daß dort irgendwo die rechtmäßigen Schiffsoffiziere gefangengehalten wurden. Er stieß tatsächlich auch bald auf zwei bewaffnete Posten.
    Einer von ihnen rief ihn an:
    »Halt! Wohin?«
    »Zum achtern Niedergang, Sir«, antwortete Bill.
    Der Mann wies mit dem Daumen nach der Brücke und befahl:
    »Marsch, nach vorne!«
    Holbrook war gerade dabei, der Aufforderung nachzukommen, als die Tür einer achtern Deckkabine aufging - wie gelähmt blieb er stehen und glotzte den Seeoffizier an, der herausgetreten war. Der Mann war in Paradeuniform, auf dem Kopf trug er den mit Goldborten reichgeschmückten Sturmhut, und auf der Brust des enganliegenden Flottenrocks glänzten Orden und Medaillen aller Art. Eine Goldborte lief die Hosennaht entlang, und auf der linken Seite baumelte ein Seeoffiziersdegen.
    Bill traute zuerst seinen Augen nicht, dann aber kam die Gestalt, ein langes Fernrohr unter den Arm geklemmt, auf ihn zugeschritten.
    Es war Laffin! Aber ein vollkommen verwandelter Laffin. Er trug das Haupt hoch.
    »Was suchen Sie, mein Junge?« fragte er.
    Bill erwies stramm die militärische Ehrenbezeigung und antwortete mit seiner Fistelstimme:
    »Ich bitte um Verzeihung, Sir! Ich wollte zum achtern Niedergang, aber man sagte mir, der sei gesperrt.«
    »Ja, mein Junge, Sie müssen vorn hinab«, sagte der Doktor mit freundlicher Herablassung. Er entfernte sich, kehrte aber gleich nochmals um und fragte: »Was denken sich denn die Leute unten?«
    »Sie wissen noch nicht recht, was los ist, Sir. Sie wundern sich nur alle, daß es so kalt geworden ist.«
    »Das kann ich mir vorstellen, kann ich mir vorstellen -«, kicherte Laffin. »Wen bedienen denn Sie, junger Freund? Sie sind doch Steward, nicht wahr?« »Ja, Sir - nun, zum Beispiel Mr. Stone ...« Der Doktor zog die Augenbrauen hoch.
    »So, so! Mr. Lambert Stone und seine schöne Nichte? Das ist ja sehr interessant. Und wie finden sich Mr. Lambert Stone und seine schöne Nichte in die veränderte Lage? Ist ein Erlebnis für die junge Dame, möchte man meinen - ein ganz bemerkenswertes Erlebnis!«
    Mit einer gnädigen Handbewegung entließ er den Steward. Bill wagte erst, erleichtert aufzuatmen, als er sich wieder auf dem verlassenen Promenadendeck befand.

39
    Am Abend sprang ein eisiger Wind auf, der den Aufenthalt im Freien äußerst unangenehm machte. Alle sammelten sich um die großen Kaminfeuer in den Gesellschaftsräumen, und jeder hatte von vereisten Korridoren und Kabinen zu erzählen, in denen man es nur im Bett aushalten konnte.
    Als Bill abends in Stones Wohnraum beschäftigt war, bemerkte er plötzlich, daß die ›Escorial‹ ihre Fahrtgeschwindigkeit bedeutend verringert hatte. Er eilte auf Deck und sah, daß das Schiff in dichtesten Nebel geraten war. Das war die Gelegenheit, auf die er gewartet hatte. Das Glück kam ihm noch weiter zu Hilfe: Er traf den Decksteward, der gerade mit einem Tablett voll Kaffeegeschirr unterwegs zum Bootsdeck war.
    »Ich werde das übernehmen -«, sagte er. »Für wen ist es?«
    »Für die Offiziere auf der Brücke«, antwortete der Steward, der froh war, nicht selbst hinauf zu müssen. »Jede Stunde

Weitere Kostenlose Bücher